Text:
Hubertus Habel
»Schwan im Teich«,
»Schlammschlacht«, »Einzelzim-
mer«: Wie passt denn das zusamm’? – Wären wir in Alt-
bayern, könnte hier ein komplettes »G’stanzl« zu unserem
Wirtshausbesuch anschließen. Wir kehren aber in Franken
ein, wo es diese volksmusikalisch unterlegte Form populärer
Poesie nicht gibt. Daher geht es mit der Auflösung der Ein-
gangsfrage in hochdeutscher Prosa weiter.
Wir zechen im »Roten Ochsen«, der seit 1489 betriebenen
ältesten Schankstätte im kleinen Stadtdenkmal Seßlach an
der Grenze zu den unterfränkischen Haßbergen. Seit karo
lingischer Zeit besiedelt und seit 1335 Stadt, ist die früh-
neuzeitliche Siedlungsstruktur mit geschlossenem Mauer-
ring weitgehend erhalten. Historisch interessierte Cineasten
kennen das ehemals würzburgische Amtsstädtchen mit den
herrschaftlichen Amts- und Kastengebäuden, der engen his
torischen Brücke über die Rodach vor demRothenberger Tor
und der jahrhundertelang argwöhnisch beäugten Adelsburg
Geiersberg vor dem zweiten nach der Burg benannten Tor:
Für »Luther«, »Hotzenplotz« und die »Seelen im Feuer« bot
Seßlach die passende Filmkulisse.
Geschichtliche Bezüge leben
hier im Alltag: Wenn
wir amWochenende im »Roten Ochsen« einkehren, müssen
wir das Auto vor der Stadt lassen und zu Fuß gehen, weil auch
das dritte, das Hattersdorfer Tor geschlossen und nur die Fuß-
gängerpforten passierbar sind. Christliche Kunstinteressierte
entdecken amWeg zumWirtshaus in der spätgotischen Pfarr-
kirche St. Johannis die Watzendorfer Madonna, die zu Zeiten
der Reformation aus dem nahen, protestantisch gewordenen
Herzogtum Coburg kommend hier katholisches Asyl gefun-
den hat.
Der weitere Gang zum Maximiliansplatz führt vorbei am
Kommunbrauhaus, wo noch heute das »Hausbier« gebraut
wird: Ein »Survival« vorindustrieller Stadtkultur, als am
aviso 2 | 2015
Böhmen und Bayern
aviso einkehr
|38|
Aviso Einkehr
Roter Ochse und »Saure Muhhh«