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aviso 2 | 2015
Böhmen und Bayern
Werkstatt
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sozialen Normen und Praxen verknüpfte und damit mit Kultur aufge-
ladene sprachliche Phänomene. Die Arbeit geht dabei einerseits vom
bilingualen Sprachvergleich aus und bereichert die kontrastive Pragma-
tik, die Kommunikationsstörungen aus der Differenz im Sprachsystem
und Sprachgebrauch deutet, andererseits geht sie auf den Sprachkon-
takt unter Migrationsbedingungen ein. Dadurch stellt sie sich auch die
Frage nach der Auswirkung von Zeit und anderen Variablen auf Annah-
me und Verweigerung von Anredeformen und -strategien, unter denen
auch die Herausbildung von hybriden Anredemodellen und -praxen eine
Rolle spielt. Mit ihrem Thema wurde Beate Feldmeier in die »Gradu-
iertenschule für Ost- und Südosteuropastudien« assoziiert und in die
Studiengruppe »Migrationserfahrungen, Transfers und Kulturtakte«
eingebunden, am Bohemicum reiht sich ihre Dissertation zu anderen
Publikationen zum bilingualen Sprachvergleich ein.
Slaven in Bayern
Die historische Dimension des Sprachkontakts und die Nutzung der
Sprachkontaktforschung für die Siedlungsgeschichte stand im Vorder-
grund des DFG-Projektes »Slaven in Nordbayern – Bavaria Slavica«.
Der Projektmitarbeiter Wolfgang Janka verfolgte zwei Hauptziele: die
Erfassung und sprachwissenschaftliche Auswertung des auf die slavi-
sche Siedlung des 7./8. bis 12./13. Jahrhunderts in Nordbayern zurück-
gehenden Sprachmaterials, das vor allem in Eigennamen enthalten ist,
sowie die Erforschung der von slavischen Siedlern gesprochenen Spra-
che, des so genannten »Bayernslavischen«, in Bezug auf seine Stellung
innerhalb der westslavischen Sprachen bzw. Dialekte und seine terri-
toriale Gliederung.
Kafkas Sprachen im Kontext
Im Projekt »Sprache und Identität: Franz Kafka im mitteleuropäi-
schen sprachlichen und kulturellen Kontext«, das von der Thyssen
Stiftung durch Promotionsstipendien gefördert wurde, ging es wiede-
rum um die individuelle und soziale Mehrsprachigkeit in den Schulen
und Verwaltungsinstitutionen der Kafka-Zeit, die von Ingrid Stöhr
(geb. Fleischmann) und Simona Švingrová in einen weiteren Kontext
des Diglossie-Wandels und der nationalen Sprachpolitik und Sprach-
planung eingebettet wurde. Das so eingebettete Deutsch Franz Kafkas
wurde in Bezug auf die für Böhmen und Prag relevanten Varietäten
und Sprachen und in Bezug auf seinen zeitgenössischen regionalen
Standard von Verena Bauer und Boris Blahak bearbeitet. Das einfa-
che Sprachmanagement im Schreibprozess und Interaktionen und das
organisierte Sprachmanagement in den öffentlichen Institutionen und
in Bezug darauf, die Wahrnehmung und Bewertung von Varietäten und
der diskursive Umgang damit bei der situationsgebundenen Konstruk­
tion der sprachlichen Identität im sprachnational geprägten Handlungs-
raum sind thematische und methodologische Verbindungslinien zu den
eingangs erwähnten Projekten. Zugleich ist es auch die Grundlage der
Kooperationen etwa mit dem Museum Bedrˇicha Smetany – National-
museum in Prag bei der Expertise zu Sprachen von Friedrich/Bedrˇich
Smetana im zeitgenössischen sprachlichen, sprachpolitischen und sprach­
ideologischen Kontext, die u. a. im Rahmen der Gesamtausgabe von
Smetanas Korrespondenz erscheint, oder mit dem Collegium Caro-
linum in München bei der Tagung zum langen 19. Jahrhundert, die
unter dem Titel »Sprache, Gesellschaft und Nation: Institutionalisie-
rung und Alltagspraxis« stattfand.
oben
Fremdsprachenunterricht an tschechischen acht-
jährigen Grundschulen, in: Marek Nekula, Christoph Marx,
Katerˇina Šichová: »Sprachsituation in Unternehmen mit
ausländischer Beteiligung in der Tschechischen Republik«,
in: Sociolinguistica 23 (2009), S. 53-85, hier S. 59.
darunter
Karte der Siedlungen in Nordbayern in Bear-
beitung von Wolfgang Janka und Heinz Muggenthaler, in:
»Bayern – Böhmen / Bavorsko – Cˇ echy: 1500 Jahre
Nachbarschaft«, hg. von Rainhard Riepertinger u. a.,
Augsburg: Theiss Verlag 2007, S. 126.
unten
Umschlag eines Tagungsbandes mit dem Berliner
Porträt von Franz Kafka im Alter von 40 Jahren.
Mit freundlicher Genehmigung von Marek Nekula, Christoph Marx, Katerˇina Šichová
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