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fehlenden finanziellen und motivationalen Ressourcen über
Verständigungsblockaden bis hin zu widersprüchlichen
Programmanforderungen reichen. Für die Studie wurden
Organisationen unterschiedlichen Typs, mit unterschiedli-
chen Zielsetzungen und unterschiedlichemAufbau erforscht,
um eine große Bandbreite typischer Problemlagen erfassen
zu können. Die leitenden Fragen lauteten dabei: Welchen
Übersetzungsherausforderungen sind solche Organisationen
ausgesetzt? Welche Probleme werden dabei identifiziert? Wie
gehen sie im Einzelfall damit um, welche Taktiken, Strate
gien, Praktiken und Expertiseformen imUmgang mit diesen
Problemen bilden sich heraus?
Sprachmanagement in Sprachkontaktsituationen
Angeknüpft hat dieses Projekt u. a. an das Projekt des Bohe-
micum im Rahmen des bayerischen »Forschungsverbunds
Ost- und Südosteuropa FOROST«. Darin wurde die Rolle
der osteuropäischen Sprachen als Faktor der sozialen und
wirtschaftlichen Integration von deutschen, österreichischen
und schweizerischen Unternehmen, die in Mittel- und Ost-
europa aktiv sind, bearbeitet. Das FOROST-Projekt ging
dabei quantitativ von ca. zwei tausend und qualitativ von
einemDutzend solcher nach Branche und Größe unterschied-
lichen Unternehmen aus, die in Tschechien aktiv sind. ImEin-
zelnen handelt es sich darin um das Management der Mehr-
sprachigkeit in konkreten Interaktionen, einschließlich des
Umgangs mit in Sprachkontaktsituationen entstandenen kri-
tischen Ereignissen, sowie um das interaktionsübergreifende
Management der Mehrsprachigkeit von Unternehmen, die in
international agierende Unternehmen und/oder globale Kon-
zerne eingebunden sind. Neben der Rolle der Firmensprache/n,
der Organisation der internen und externen Kommunika
tion und des symbolischen Umgangs mit den Sprachen in der
unternehmensinternen Sprachlandschaft wurden vonMarek
Nekula, Jirˇí Nekvapil und Katerˇina Šichová auch Akquise
und Weiterbildung von Mitarbeitern fokussiert, bei denen
das Sprachmanagement in den Unternehmen eng mit der
staatlichen Sprachplanung v. a. im Bereich des Fremdspra-
chenunterrichts verknüpft ist. Da durch Jirˇí Nekvapil in das
Projekt des Bohemicum auch ein Mitarbeiter der Karlsuni-
versität Prag eingebunden war, gingen die Ergebnisse des
FOROST-Projektes einerseits in das EU-Projekt »Langua-
ges in a Network of European Excellence« (LINEE), ande-
rerseits in die tschechischen sprachpolitischen Debatten zur
Rolle des Deutschen als Fremdsprache in der Wirtschaft ein.
Anredestrategien tschechischer Migranten
Die Sprache in Sprachkontaktsituationen auf der bayeri-
schen Seite der Grenze wurde dann am Bohemicum im Pro-
motionsprojekt von Beate Feldmeier zu »Reflexion und
Gebrauch von Anredestrategien durch tschechische Mig-
ranten im deutschsprachigen Umfeld« bearbeitet. Mit der
Anrede wurde ein sprachliches Phänomen ausgewählt, das
in der Interaktion in Sprachkontaktsituationen kritische
Ereignisse mit auslöst – ähnlich wie andere vergleichbare, mit
»Das Bohemicum hat mir eine fundierte Grundlage der tschechischen Spra-
che und einen Einblick in die Geschichte und Kultur unseres Nachbarlandes
vermittelt. (…) Beruflich war die Beherrschung der Nachbarsprache Tsche-
chisch bisher von großem Vorteil. In meiner aktuellen Position als Wissens-
plattform-Managerin für das Themenfeld ›Hochschulkooperationen‹ bei der
Europaregion Donau-Moldau arbeite ich mit Wissenschaftlern und Hoch-
schulmitarbeitern aus Bayern, Österreich und Tschechien zusammen. Dabei
kann ich die Sprache und auch die kulturellen Kenntnisse gut einsetzen.«
Kathrin Altmann
Diplomkulturwirtin
Sprachen-, Wirtschafts- und Kulturraumstudien
an der Universität Passau
Projektmanagerin bei der EUREGIO Bayerischer
Wald – Böhmerwald – Unterer Inn e.V. für die
›Europaregion Donau-Moldau‹
»AmAnfang standen zwei Erasmus-Semester inBrno/Brünn, das
ichalsmoderneundweltoffeneStadterlebte.UmmeineTschechien-
Kenntnisse zu vertiefen, schrieb ich mich anschließend an der
Universität Regensburg ein, deren einzigartiger Schwerpunkt
auf dem östlichen Europa und insbesondere das Begleitstudium
Bohemicum mich überzeugten. Durch das Bohemicum konnte
ich meine Sprachkenntnisse ausbauen, zahlreiche Kontakte zu
anderen »Tschechien-Begeisterten« knüpfen, aber vor allem
dank der landeskundlichen Kurse die »Mentalität« unseres
Nachbarn besser verstehen lernen. Dies alles hilft mir bis
heute bei meiner Arbeit im Tschechischen Zentrum München,
der offiziellen Kulturvertretung der Tschechischen Republik.
Wir stellen in Süddeutschland Künstler und Kulturschaffende
aus Tschechien vor und vernetzen sie mit deutschen Partnern.
Durch meine Arbeit lerne ich immer wieder spannende Men-
schen und Ideen kennen und bewege mich beinahe selbstver-
ständlich zwischen beiden Kulturen und Sprachen. (…) Durch
meine Arbeit kann ich zeigen, dass das deutsch-tschechische
Verhältnis aus mehr als der Aufarbeitung des aufreibenden
20. Jahrhunderts besteht. Sprache und Wissen sind das Hand-
werkszeug für die Gestaltung von positiven und als normal
empfundenen Beziehungen. Dafür steht das Bohemicum.«
Anett Browarzik
M.A.
Europastudien an der
TU Chemnitz und
Ost-West-Studien an der
Universität Regensburg
Programmkoordinatorin am
Tschechischen Zentrum München