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aviso 2 | 2015
Böhmen und Bayern
Colloquium
Dr. Zuzana Jürgens
war von 2009 bis 2014 Direktorin des
Tschechischen Zentrums in München und ist Lehrbeauftragte für
Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-
Universität München. Für die Informationen, die sie bereitwillig
zur Verfügung stellten, dankt die Autorin: Ivan Binar,
Jaroslava Binarová, Petr Brod, Roman Erben, Jakub Jedlicˇka und
Vojzeˇch Klimt.
arbeitete als Grafiker, Designer und Fotograf. Wie er sagt:
»München war mir damals deswegen nah, weil es einst eine
großartige Gruppe vonMalern und denjenigen, die gut schrie-
ben, beherbergte. Auf der anderen Seite stieß mich seine
gelegentliche Position der
kitschigen Gemütlichkeit
ab, die von
Protzigkeit und Langeweile durchdrungen ist. Es ist zwar ein
Fladen, was das Terrain angeht, hat aber eine Umgebung, die
alle seine Nachteile und Sünden ausgleicht.« AmAnfang lebte
er in der Kapuzinerstraße, dann in Neuhausen und heute
zwischen dem Hirschgarten und Schloss Nymphenburg.
Gleichzeitig hat er ein Haus mit Atelier in Prag – von einer
Rückkehr hält ihn jedoch seine Münchner Umgebung ab.
An die Karriere
von Rafael Kubelík erinnert die des Tänzers
Ivan Liška (*1950), der mit seiner Familie bereits 1968 nach
Deutschland kam und in den Jahren 1974–1977 Solist bei der
Bayerischen Staatsoper war. Nach einem langen Intermezzo
in Hamburg kehrte er 1989 als Direktor des Bayerischen
Staatsballetts zurück, das er bis heute leitet. Ähnlich wie bei
Kubelík spiegelt sich seine Herkunft im Programm des Staats-
balletts durch Aufführungen von tschechischen Autoren wie
Leoš Janácˇek oder die Zusammenarbeit mit dem tschechi-
schen Choreografen Jirˇí Kylián wider.
Seit 1969 lebt Ivan Steiger (*1939) in München. Seine Zeich-
nungen, Kommentare zu Politik und Gesellschaft kennt jeder
Leser der F.A.Z., seine Illustrationen die Leser der Exil-Pub-
likationen von Ota Filip, Karel Kryl u. a. Die Stadt München
und die Stadt Prag hat er jeweils um ein Spielzeugmuseum
bereichert. Fest verankert in seiner zweiten Heimat ist er ein
langjähriges aktives Mitglied des traditionellen tschechischen
Turnvereins »Sokol« in München.
Die bildende Künstlerin
Magdalena Jetelová (*1946)
kam erst 1985 ins Münchner Exil und kehrte nach mehrjäh-
riger Tätigkeit an der Kunstakademie in Düsseldorf an die
Akademie der Bildenden Künste zurück, wo sie 2004–2012
als Professorin für Bildhauerei lehrte. Aus dieser Position her­
aus setzte sie sich für den studentischen und künstlerischen
Austausch mit Tschechien ein. Wie sie sagt: »Ich lebe mit
großer Freude als tschechische Künstlerin in Deutschland.«
Nicht als Emigrantin, sondern als Ehefrau des Regisseurs
Joseph Vilsmaier kam die Schauspielerin und Regisseurin
Dana Vávrová (1967–2009) nachMünchen, die in Tschechien
bereits als Kind ein Filmstar war und in Deutschland eine
neue Karriere aufbaute. Ihre erste und letzte Rolle als Tsche-
chin hatte sie hier als erfahrene Prostituierte in der Komödie
»Grenzverkehr«, Regie Stefan Betz (2004).
Es ist eigentlich
nicht überraschend, dass vor allem die
Schriftsteller nach der Samtenen Revolution im Jahr 1989 nach
Tschechien zurückkehrten. Die tschechische Literatur bleibt in
München jedoch nach wie vor präsent, dank der zweisprachi-
gen Lesungen des Lyrikkabinetts oder des 2000 gegründeten
Tschechischen Zentrums. Und die tschechische Kultur an sich
wurde dank des offenen europäischen Raums, der vielfältigen
Kommunikationskanäle und der Möglichkeiten, dieMünchen
den Künstlern bietet, zu einem selbstverständlichen Teil der
hiesigenmultinationalen Szene, wie es heute zumBeispiel das
Schaffen des Schmuckmachers Martin Papcún (*1979) oder
der bildenden Künstlerin Lenka Richterová (*1985) beweist.
von links
Roman Erben: Tusche- und Bleistiftzeichnung »Decoy«, 1986.
Ivan Liška (hinten) und Kevin Haigen in John Neumeiers »Opus 100 –
for Maurice« in einer Aufführung des Staatsballetts Hamburg 1996.
Magdalena Jetelová, Fassade des Kunstforums Ostdeutsche Galerie
Regensburg mit der Säuleninstallation »Venceremos/Sale«.
Ivan Steiger, Zeichner, Maler und Schriftsteller.
Die Schauspielerin Dana Vávrová.
Foto „Decoy“ mit freundlicher Genehmigung von Roman Erben/Charles Tandy/Wikimedia Commons, Foto: No Jin/Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Foto: Wolfgang Schmidt Regensburg/Archiv Cˇ TK | Hana Herˇmánková
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