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Bereits im Frieden fordern alpine Gebirgsregionen alles vonMenschen, die sich nur
von A nach B bewegen wollen: die dünnere Luft, plötzliche Wetterumschwünge,
ein von vornherein schon ungleich raueres Klima als in den Ebenen, dazu
Lawinen, Geröllabgänge, Temperaturstürze, Schneemassen, Gletscherspalten und
Muren dazukommen. Erst recht gilt das imKrieg, wenn der Soldat zusätzlich noch
die physischen und psychischen Belastungen einer Gefechtstätigkeit zu bewäl-
tigen hat. Oberhalb der Vegetationsgrenze fehlen zudem sehr oft Möglichkeiten
zur Tarnung – und der Fels potenziert obendrein noch die Splitterwirkung ein-
schlagender Artilleriegeschosse. Nicht umsonst schieden die Alpen jahrtausen-
delang als Kriegsschauplatz aus.
Die erste bekanntere militärgeschichtliche Erwähnung der Alpen betrifft deren
Überquerung durch das Heer des karthagischen Feldherren Hannibal im Jahre
218 v. Chr. imRahmen des Zweiten Punischen Krieges. Mit anfänglich circa 50000
Soldaten, 9000 Reitern und 37 Kriegselefanten marschierte er nach Oberitalien
ein. Der Karthager nutzte die Alpen aber nicht als Operationsgebiet, in dem eine
Schlachtentscheidung fallen sollte, sondern imSinne einer operativen Überraschung
»nur« als Durchmarschgebiet, da er auf diesem Weg Rom aus einer völlig uner-
warteten Richtung anzugreifen gedachte. Fazit: Die Hälfte seines Heeres sowie
alle Elefanten gingen verloren. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts beschränkte
sich der Kampf im Gebirge dann auch nur auf die Verteidigung von respektive
den Angriff auf strategisch wichtige(n) Täler(n) oder Passstraßen, so der Über
raschungs-Coup des Prinzen Eugen von Savoyen, der zu Beginn des Spanischen
Erbfolgekrieges mit 29000 Mann durch Tirol über die Lessinischen Alpen nord-
westlich des Gardasees zog und am 9. Juli 1701 im Raum Mincio-Etsch die Fran-
zosen unter Marschall Catinat in der Schlacht bei Carpi besiegte.
Zwei Jahre später wurde Tirol im »Boarischen [Bayerischen] Rummel« tatsäch-
lich zum Kriegsschauplatz. Mit dem Kriegseintritt Bayerns auf Seiten der Fran-
zosen sahen sich die habsburgischen Truppen plötzlich in die Zange genommen.
Kufstein, Rattenberg, Hall und Innsbruck fielen trotz des gut ausgebildeten Lan-
desverteidigungssystems der Tiroler zunächst in die Hände der nach Süden vor-
stoßenden Bayern, die sich mit den in der Poebene dislozierten Franzosen ver-
einigen wollten. Dieser Zangenangriff schien das Schicksal Tirols angesichts der
hier nur schwachen österreichischen Kräfte zu besiegeln. Im Etsch- und Eisacktal
sowie im oberen Inntal formierte sich allerdings der Widerstand der einheimischen
Bevölkerung gegen die Eindringlinge. Am 27. Juni rückten ca. 3000 Landsturm-
männer aus dem Vinschgau im oberen Etschtal gegen den Jaufenpass vor und ver-
trieben die bayerischen Vorposten. Die Bayern wichen daraufhin bis auf den Bren-
nerpass zurück und bezogen am Lueg neue Verteidigungsstellungen. Hier kam der
Vormarsch der Tiroler Verteidiger zum Stehen. Im Gegenzug stießen die Bayern
erneut nach Süden vor, wobei allerdings 300 bayerische Soldaten amReschenpass
von den Oberinntaler Landstürmern in eine tödliche Falle aus Steinlawinen gelockt
wurden. Im weiteren Verlauf verzettelten die Bayern ihre Kräfte derart, dass ihre
Angriffe an Stoßkraft verloren. Ein letzter Durchbruchsversuch am Brenner miss-
lang am 17. Juli 1703. Schließlich mussten sie sich bis nach Innsbruck zurückziehen.
Text:
Thomas Müller
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Eine motorisierte Nachschubeinheit
(»Kolonne«; entspricht der Führungsebene
»Kompanie«) passiert eine von Pionieren
gebaute Behelfsbrücke. Um diese nicht zu
überlasten, fahren die Lkws einzeln und
mit deutlich vergrößerten Abständen. Dazu
müssen sie vor der Brücke stoppen
und warten, bis sie den Befehl zum
Weiterfahren erhalten.
Foto: Bayerisches Armeemuseum, Ingolstadt
aviso 3 | 2014
Bayern-Südtirol
Colloquium