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aviso 3 | 2014
Bayern-Südtirol
Colloquium
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Ich weiSS nicht,
wie es Ihnen geht, werte Lese­
rinnen und Leser, wenn Sie in Tirol als Bayern
erkannt werden. Bei mir ist es ganz schlimm.
Was daran liegt, dass ich als Chef des Hauses der
Bayerischen Geschichte für eben diese persönlich
haftbar gemacht werde.
Die gegen mich erhobene Standardanklage lautet
in der Kurzfassung so: Die Bayern hätten mit
den Franzosen gemeinsame Sache gemacht, Tirol
gewaltsam annektiert, ausgebeutet, die Tiroler
in die bayerische Armee gepresst, in bis dahin
ungekannter Unsensibilität alte Bräuche verboten,
frevelhaft und gotteslästerlich Klöster aufgehoben
und schließlich Andreas Hofer an die Wand gestellt.
Jetzt hat es
ausmeiner Erfahrung heraus gar keinen
Sinn, mit einer differenzierten historischen Analyse
zu antworten, weil dies sofort als Haarspalterei
zurückgewiesen wird. Und so ganz aus der Luft
gegriffen ist die Anklage ja auch nicht. Selbst
als im Andreas Hofer-Gedenkjahr 2009 Tiroler
Kolleginnen und Kollegen feststellten, dass die von
den Bayern angestoßenen Reformen wenigstens
teilweise sinnvoll, zukunftsorientiert und dem
Land nützlich gewesen wären, wurde mir erklärt,
dass solche Interpretationen allenfalls Tirol-intern,
aber keinesfalls Bayern-extern angewendet werden
könnten.
Andreas Hofer als Held der Niederbayern
Deshalb bin ich bei derartigen Diskussionen bei
folgender halbwegs bewährter Verteidigungslinie
geblieben: Wir Altbayern seien schließlich
damals von landfremden Wittelsbachern aus
der Pfalz beherrscht worden, von ihrem Minister
mit verdächtig französisch anlautendem Namen
und seinen fränkischen Beamten, im Grunde
also genauso geknechtet wie die Tiroler. Was
übrigens eine gewisse Tradition hat: Der krypto-
revolutionäre Bayerische Bauernbund, der vor
allem in Niederbayern die konservativen Parteien
in Reichs- und Landtagswahlen manchmal sogar
übertrumpfte, hängte bei seinen Versammlungen
um 1900 die Porträts von König Ludwig II. und
Andreas Hofer an die Wand, nachdem vorher
die offiziellen Staatsporträts des Prinzregenten
und – apropos Knechtung – Kaiser Wilhelms II.
abgehängt worden waren.
Wem diese Verteidigungsstrategie
nicht taugt, für
den habe ich jetzt die ultimative »Neuentdeckung«
parat. Es handelt sich dabei um eine fast 700 Jahre
alte Urkunde, die wir gerade in Regensburg in
oben
Das Porträt zeigt Andreas Hofer mit der
ihm vom österreichischen Kaiser Franz I.
verliehenen Großen Zivil-Ehrenmedaille, die
ihm am 4. Oktober 1809 in einem feier-
lichen Akt durch den Abt von Wilten in der
Innsbrucker Hofkirche übergeben wurde.
Im Hintergrund sind die alte Brennerstraße
und der Bergisel-Sattel zu erkennen.
Andreas Hofer, geboren 1767, Sandwirt in
St. Leonhard im Passeier, war an den mit
dem Wiener Hof vereinbarten Vorbereitungen
zur Tiroler Erhebung maßgeblich beteiligt
gewesen. Mit Andreas Hofer verbindet sich
das Bild des großen Tiroler Freiheitskämpfers,
dessen tragisches Ende bis heute berührt.
darunter
Der Stammsitz der Grafen von Tirol
oberhalb von Meran war bis ins ausge-
hende Mittelalter Herrschaftssitz der Landes-
fürsten.
unten
Margarethe (1318-1369), die
Erbtochter Herzog Heinrichs von Kärnten,
des Grafen von Tirol, besaß eine höchst
attraktive Mitgift, um die sich die Wittelsbacher,
Habsburger und Luxemburger intensiv
bemühten.
Text:
Richard Loibl
© Foto: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck | © Ulrich Arzberger | © Kunsthistorisches Museum Wien, Inv. Nr. 4395
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