aviso 3 | 2014
Bayern-Südtirol
Colloquium
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Defreggers Gemälde
»Der Salontiroler« ironisierte 1882 die Beliebtheit
alpenländischer Motive, von der er selber profitierte. Es zeigt einen mit
verlegenem Ernst dreinblickenden jungen Mann in schicker Trachten-
montur in einer Bauernstube, wo er von denMännern skeptisch gemustert
wird, während sich zwei Landfrauen unverhohlen über ihn amüsieren.
Mit dem einsetzenden Tourismus war das Landleben für die Stadtbevöl-
kerung, die sich nach Ursprünglichkeit und unversehrter Natur sehnte,
immer interessanter geworden. Kleidung und Bräuche der ländlichen
Bewohner gewannen an Popularität und die Städter wollten inmöglichst
authentischemOutfit aufs Land ziehen, wo sie an oftmals eigens für sie
inszenierten Darbietungen des Brauchtums teilnahmen. Der Salontiroler
ist einer dieser städtischen Touristen, der in seiner als authentisch emp-
fundenen Verkleidung die Einheimischen befremdet.
Die Tiroler an der Münchner Kunstakademie
Defregger konnte sich diese Ironie leisten, denn
seine Genrebilder waren Verkaufsschlager auf dem
Münchner Kunstmarkt. Das zog natürlich auch
viele Studenten an, nicht zuletzt Tiroler, die bei
ihm studieren wollten. Noch in den 1890er Jahren
war die Defregger-Klasse mit etwa zehn Schülern
pro Semester eine der am stärksten frequentierten
Komponierklassen der Akademie. Manche seiner
Schüler, darunter Tiroler wie Hugo Engl und
Josef Moroder-Lusenberg, sind für ihre dem
Genre des Meisters zum Verwechseln ähnlichen
Werke bekannt geworden.
links
Leo Putz, »Leo Putz zwischen Scylla und Charybdis
(Selbstbildniß)«, in »Jugend«, 10. Jg., Nr. 1, 1.1.1905, S. 19.
unten
Franz von Defregger, »Der Salontiroler«, Öl/Lw.,
95 x 135 cm, sign. l. u. 1882.
darunter
Leo Putz, »Gasthaus im Schnee«, Öl/Lw, 55 x 65 cm.
Julie Kennedy, München | Nationalgalerie Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Sammlung Siegfried Unterberger