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aviso 3 | 2015
WOHIN DAMIT? RESTITUTION UND PROVENIENZFORSCHUNG
COLLOQUIUM
Auch in »museum heute«, der zweimal jährlich erscheinen-
den Zeitschrift der Landesstelle, wurde die Provenienzfor-
schung regelmäßig thematisiert, so in den Heften 27/2004,
34/2008, 36/2009, 38/2010, 40/2011 und 46/2014. Künftig
soll dem Thema ein fester Platz in der deutschlandweit rezi-
piertenMuseumsfachzeitschrift eingeräumt werden, um die
Kolleginnen und Kollegen mit regelmäßigen Berichten über
Provenienzforschungsprojekte an bayerischenMuseen stetig
für das Thema zu sensibilisieren und sie über Forschungs
ergebnisse zu informieren.
BEIM BAYERISCHEN MUSEUMSTAG
vom 08.-10.07.2013 in Passau
befasste sich einer der Fachvorträge mit dem derzeitigen Stand
der Provenienzforschung an bayerischenMuseen. Dr. Andrea
Bambi von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gab
unter dem Titel »Suche nach Raubkunst« einen Überblick
über Projekte zur Provenienzforschung und schilderte die
Bemühungen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
in diesem Bereich.
Die Landesstelle als Ansprechpartner
Neben demDeutschen ZentrumKulturgutverluste inMagde-
burg stand und steht auch die Landesstelle für die nichtstaat-
lichen Museen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung,
wenn sich in bayerischen Museen Fragen zur Klärung der
Provenienz von Sammlungsbeständen oder zur Einleitung
von Restitutionsmaßnahmen stellen. Provenienzforschung
war bisher in einzelnen Fällen auch Gegenstand der Beratung
im Rahmen der Betreuungsarbeit der Landesstelle gewesen.
An konkreten Projekten der Provenienzforschung hat die
Landesstelle bislang die Recherchen zur Sammlung Haber-
stock an den Kunstsammlungen der Stadt Augsburg sowohl
beratend als auch finanziell unterstützt. Die Arbeiten waren
aufgrund finanzieller Engpässe zunächst eingestellt worden,
wurden aber auf Initiative der Landesstelle zu Ende geführt,
da sie das Projekt entsprechend bezuschussen und damit die
Stadt Augsburg in ihren Bemühungen unterstützen konnte.
Der Kunsthändler Karl Haberstock hatte u. a. auch an Nazi
größen verkauft und war als Einkäufer für das von Hitler ge-
plante Kunstmuseum in Linz tätig gewesen. Die Ergebnisse
der Untersuchung wurden 2008 in der Publikation »Karl
Haberstock – Umstrittener Kunsthändler und Mäzen« im
Deutschen Kunstverlag publiziert. Die Landesstelle fördert
aktuell auch die Bemühungen der nichtstaatlichenMuseen im
Bereich der Provenienzforschung finanziell, wie beispielsweise
die Untersuchung der Provenienz der Bestände der Kunst-
sammlungen der Veste Coburg, die 2014 bezuschusst wurden.
EINE ERHEBLICHE MENGE
der etwa 1250 nichtstaatlichen
Museen in Bayern befindet sich in kommunaler Trägerschaft,
ist also an das Washingtoner Übereinkommen gebunden, die
bedeutenderen unter den privatenMuseen sehen sich jedoch
gleichfalls mit dem Postulat konfrontiert, ihre Bestände nach
verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu untersuchen
und dieses gegebenenfalls zu restituieren. Die Vorreiterrolle
unter den nichtstaatlichen Museen in Bayern spielen die
Kunstsammlungen und Museen Augsburg sowie die Nürn-
berger Museen, die bereits seit 2001 Provenienzforschung
betreiben. Im Zeitraum von 2008 bis 2014 wurden fünf
nichtstaatliche Museen in Bayern von der Arbeitsstelle
für Provenienzforschung finanziell bei ihren Aktivitäten
unterstützt:
n
die Kunstsammlungen der Veste Coburg;
n
die Kunstsammlungen und Museen Augsburg;
n
das Münchner Stadtmuseum;
n
die Museen der Stadt Bamberg;
n
das Museum im Kulturspeicher Würzburg.
DIE STÄDTISCHE GALERIE
im Lenbachhaus untersucht seit
13 Jahren die Provenienzen ihrer Sammlung, zunächst im
Rahmen einer Halbtagsstelle; 2010 wurde eine Vollzeitstelle
eingerichtet. Einige wenige kleinere Museen wie die städti-
schen Sammlungen Coburg, das Stadtmuseum Gunzenhau-
sen oder das StadtmuseumKitzingen haben ebenfalls erfreu-
liche Anstrengungen im Bereich der Provenienzrecherche
unternommen.
Verpflichtung zur Proveninenzforschung oft nicht bekannt
Viele nichtstaatliche Museen haben jedoch keine ausreichen-
den personellen Kapazitäten, um sich der sehr anspruchs-
vollen Provenienzforschung zu widmen. Die Arbeit für die
Anträge für die zu formulierenden Forschungsvorhaben, die
an das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste gerichtet wer-
den müssten, kann in der Regel neben dem Alltagsgeschäft
von den Museen nicht geleistet werden. Sachmittel für eine
externe Vergabe der Vor- oder Erstrecherchen sind nicht vor-
handen. In manchen Fällen vermuten die Museumsleitungen
in ihren Sammlungen auch kein NS-Raubgut. Oftmals sind
die einschlägigen Quellen und die quellenkritische Herange-
hensweise an diese Schrift- und Sachzeugnisse nicht geläufig.
In den Verwaltungen der Museumsträger ist die Verpflich-
tung zur Provenienzforschung oft nicht bekannt.
NACH AKTUELLEN ERKENNTNISSEN
der Landesstelle für die
nichtstaatlichen Museen können im Freistaat Bayern 220
Museen auf eine Gründungsgeschichte vor 1945 verweisen
und verfügen über Altbestände aus dieser Sammlungsperiode.
Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil um stadt- und
regionalgeschichtliche bzw. kulturhistorische Museen, meist
sogenannte Mehrspartenhäuser. Hinzu kommen 26 Kunst-
museen in nichtstaatlicher Trägerschaft, die vor 1945 ge-
gründet wurden.
Die Häuser, die bereits Provenienzforschung betreiben bzw.
jene, die personelle Ressourcen für eine Antragstellung haben,
möchte die Landesstelle durch weitere Beratung wie bisher
bestärken, diesen Weg zu gehen. Auf die übrigen Museen
möchten wir ab Herbst 2015 aktiv zugehen. Dazu beabsich-
tigt die Landesstelle, in nichtstaatlichenMuseen mit befristet
beschäftigten Provenienzforschern eine Erstrecherche vorzu-
nehmen, die klärt, ob eine weitere Untersuchung dringend
notwendig ist, da sich ein sogenannter erhärteter Anfangs-
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