Text:
Theo Eberhard
IRGENDWIE EIN TOLLES GEFÜHL.
Da steht eine wuch-
tige Holzsäule mitten im Raum neben dem Kachelofen, die
irgendwie das ganze Haus zusammen hält, und das schon
seit 1559. Fasst sich gut an, schaut verlässlich aus. Sie hat
den 30jährigen Krieg überstanden, diverse Belagerungen
und die französische Besetzung. Vor allem auch den Zwei-
ten Weltkrieg – die Säule hat das Haus getragen, während
drum herum alles in Schutt und Asche gebombt wurde.
Vielleicht kann man sich die Zeit um 1559 am besten vor-
stellen, wenn man das Bild »Der Kampf zwischen Karne-
val und Fasten« von Pieter Brueghel dem Älteren betrach-
tet. Irgendwie versteht man dann auch die Atmosphäre in
der Albrecht-Dürer-Stube etwas besser. Überhaupt Albrecht
Dürer, der größte Sohn der Stadt: Er ist hier, zu Füßen der
Burg, fast omnipräsent, mit dem Albrecht-Dürer-Haus in
der Albrecht-Dürer-Straße, in der Nähe des überlebensgro
ßen Denkmals auf dem Albrecht-Dürer-Platz. Hier passt
sie hin, die Albrecht-Dürer-Stube, in dem beeindruckenden
Fachwerkhaus, das nach den Bombenangriffen am Ende
des Zweiten Weltkriegs ziemlich einsam übrig geblieben
ist.
Als die Trümmer weitgehend weggeräumt waren, in den Jah-
ren der Trostlosigkeit der frühen Nachkriegsjahre, da haben
die Höllerzeders das Anwesen in der Albrecht-Dürer-Straße
6 gekauft, der Josef und die Franziska, die vorher ein Sport-
heim betrieben. Mutig war das, konnte man denn wissen, ob
das mit dem Wirtschaftswunder klappt? Vermutlich muss-
ten zu dieser Zeit alle Leute irgendwie mutig sein, blieb ihnen
doch kaum was anderes übrig. Beim Höllerzeder gab es ver-
nünftige Preise, anständiges Essen und gutes Bier und man
konnte sich seine Freizeit mit »Karteln« vertreiben.
DAS MIT DEM
Wirtschaftswunder hat geklappt, und
als die 68er-Bewegung fast schon wieder Geschichte ist,
Helmut Kohl zum Vorsitzenden der CDU gewählt wird, ist
es genau der richtige Zeitpunkt, die Albrecht-Dürer-Stube
an die nächste Generation zu übergeben. Der Sohn Pepi und
seine Frau Hildegard übernehmen die Gastwirtschaft und
mit dem »Karteln« hat es ein Ende, die Liebe zum anstän-
digen Essen aber ist geblieben.
Pepis Sohn Michael hat auch Koch gelernt, das muss bei
den Höllerzeders in den Genen liegen. Bevor er allerdings
2003 dann die Albrecht-Dürer-Stube übernahm, hat er bei
Sterne-Köchen sein Wissen vertieft – imGasthof Bammes in
Nürnberg-Buch, im Schlosshotel Lerbach in Bergisch Glad-
bach bei Dieter Müller, dem »Botschafter des außergewöhn-
lichen Geschmacks«. Dennoch: Michael Höllerzeder und
seine Frau Pia haben der Versuchung widerstanden, aus
demWirtshaus einen Gourmet-Tempel zu machen, sie sind
bei der guten fränkischen Küche ihrer Vorfahren geblieben.
Das merkt man auch, wenn man den Gastraum betritt. Hier
zeigt sich die fränkische Lust an verspielter Gestaltung. Die
Wände sind über und über mit Albrecht Dürer-Motiven
und alten Stickereien dekoriert, die teilweise über 100 Jahre
alt sind.
DIE SPEISEKARTE BIRGT
dann auch keine Überraschungen.
Natürlich gibt es ofenfrisches Schäufele, Apfelblaukraut
und Kloß, Nürnberger Bratwürstchen, blaue Zipfel. Es gibt
Wallerfilet in Mandelbutter und geschmorte Rinderroulade,
gebratene Blutwurst, Apfelküchle. Michael Höllerzeder legt
besonderen Wert auf Saisonalität. Spargelwochen, Pilz
gerichte, Wild – alles zu seiner Zeit. Exotisch klingt da
allenfalls Feldsalat mit gehobeltem Har tkäse und
Balsamico.
Es ist nicht die Speisekarte, die einen vom Hocker reißt,
es ist eher das, wie Michael Höllerzeder sein Handwerk
versteht: alles selbstgemacht. Kein Convenience Food der
Zulieferindustrie, nicht bei den Saucen oder Salaten, nicht
aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
AVISO EINKEHR
|44|
AVISO EINKEHR
DIE ALBRECHT-DÜRER-STUBE IN NÜRNBERG
© Theo Eberhard | Michael Höllerzeder