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aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
COLLOQUIUM
Konvolut an Alt-Werken außerhalb Österreichs auf. Dass der Bestand
für das Werk des Künstlers zentrale Arbeiten umfasst, zeigt allein die
Tatsache, dass selbst die Albertina in Wien für ihre vielen Alt-Ausstel-
lungen – zuletzt die große Retrospektive 2005 – immer wieder wich-
tige Werke aus dem Münchner Bestand geliehen hat, um einen um-
fassenden Eindruck des Œuvre vermitteln zu können.
s ist daher verwunderlich, dass dieser Bestand seit den 1950er
Jahren nie der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Man könnte fast
den Eindruck gewinnen, dass er in München sogar schamhaft
verschwiegen wurde. Ältere Kunsthistorikerkollegen wissen zu berich-
ten, dass frühere Generationen von Mitarbeitern der Sammlung es
nicht gern sahen, wenn diese Werke im Studiensaal nachgefragt wur-
den. Man sprach nicht über diesen Bestand, denn die Herkunft der
an die 200 Aquarelle – darunter 16 vom Vater des Künstlers, Jakob
Alt (1789-1872) – und über 400 Zeichnungen hat einen ›haut goût‹,
dessen man sich durchaus bewusst war.
Die Blätter kamen zwischen dem Sommer 1945 und 1948 aus diversen
Auslagerungsorten in das Gebäude des Münchner Central Art Collec-
ting Points (CCP) der US-Armee, dem heutigen Haus der Kulturinsti-
tute in der Katharina-von-Bora-Str. 10. Die Konvolute waren zuvor im
Salzbergwerk in Altaussee, im Kloster Höglwörth und in der »Stabs-
leiter-Villa« Martin Bormanns (1900-1945) in Pullach sichergestellt
worden. Nachdem die Alt-Werke im CCP katalogisiert waren, wurden
knapp 100 Blätter »zur treuhändigen Verwahrung« an die Republik
Österreich zurückgegeben. Die restlichen Werke überstellte man 1953
dem Freistaat Bayern. Die Treuhandverwaltung von Kulturgut Mün-
chen überwies die über 600 Aquarelle und Zeichnungen schließlich
1959 endgültig an die Staatlichen Museen Bayerns, die somit an die
Staatliche Graphische Sammlung München gelangten.
Schwierige Ausgangslage
Im einzigen der Graphischen Sammlung vorliegenden Dokument zu die-
sem Vorgang, der Kopie eines Anhangs der damaligen Übertragungs-
urkunde, ist im einleitenden Satz lediglich festgehalten, dass die Werke
ab 1933 vom »Reichsleiter der NSDAP Martin Bormann als Fiduziar
der NSDAP« erworben worden seien. Man inventarisierte das Konvo-
lut und reihte es in den Bestand der Graphischen Sammlung ein. Die
als bedeutend angesehenen Aquarelle wurden im Laufe der nächsten
Jahrzehnte von den Werkstätten der Sammlung teilweise in neue, kon-
servatorisch angemessenere Passepartouts montiert, die meisten Blät-
ter – insbesondere die Zeichnungen – verblieben jedoch in den Passe-
partouts und Kästen, mit denen sie übernommen worden waren.
Die weitere Geschichte des Bestands kann als exemplarisch dafür gelten,
wie mit derartigen Kunstbeständen über Jahrzehnte verfahren wurde
und wie das Museum und seine Mitarbeiter erst allmählich lernen
konnten und mussten, was Provenienzforschung bedeutet. So hatte
sich 1981 der Sohn eines im KZ Ausschwitz ermordeten Wiener jüdi
schen Sammlerehepaares mit dem Hinweis an die Graphische Samm-
lung gewandt, dass sich ein besonders unverwech-
selbares Werk von Alt – »Das Arbeitszimmer des
Künstlers«, 1904/05 (Inv.-Nr. 45625 Z) – aus der
ehemaligen Sammlung seiner Eltern in den Bestän-
den befände, das bei seiner damaligen Recherche
im CCP in München 1947 noch nicht aufzufinden
gewesen sei. Man bedankte sich bei ihm für die
Information zur Herkunft des Aquarells, das als
das letzte von der Hand des greisen Künstlers gilt,
und versprach diese Angabe in die nächste Publi-
kation der Graphischen Sammlung aufzunehmen.
Der Eigentumsanspruch der Graphischen Samm-
lung an dem Blatt wurde jedoch angesichts der
offiziellen Übertragungsurkunde in keinster
Weise angezweifelt.
Erste Anträge auf Restitution
Nach der Verabschiedung der Washingtoner
Erklärung (bzw. »Washington Principles«) vom
3. Dezember 1998 – den »Grundsätzen der
Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke,
die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt
wurden« – erhielt die Graphische Sammlung eine
Anfrage der »Commission for Art Recovery« des
»World Jewish Congress« das Blatt »Der Markus-
platz in Venedig«, 1864 (Inv.-Nr. 45651 Z) betref-
fend. Man wandte sich daraufhin mit einer Anfra-
ge an das Bayerische Hauptstaatsarchiv. Da sich in
den dort archivierten Unterlagen zur Sammlung
keine konkreten Hinweise finden ließen, wurde die
Anfrage schließlich an das Staatsarchiv München
weitergeleitet. Das daraufhin vom Staatsarchiv
an die »Commission« gesandte Schreiben enthielt
lediglich den Hinweis, dass sich die einschlägige
Übertragungsurkunde oder vergleichbare Doku-
mente aus den Unterlagen des Bayerischen Lan-
desamts für Vermögensverwaltung und Wieder-
gutmachung, München, noch nicht im Besitz des
Staatsarchivs befänden. Eine weiterführende Re-
cherche erwies sich als personell nicht durchführ-
bar und die Anfrage verlief sich im Sande.
rechts
Anzeige in: Internationale Sammlerzeitschrift. Zentralblatt für
Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 29. Jg. Nr. 13/14, 25. Juli 1938, S. 2.
© Staatliche Graphische Sammlung München