aviso 3 | 2014
Bayern-Südtirol
Colloquium
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Maler und Literaten als Wegbereiter
Wer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von
Bayern nach Tirol reiste, hatte meist berufliche
Gründe. Nur die wenigsten taten dies zumVergnü-
gen, zumal das Fahren mit der Kutsche unbequem
und langwierig war. Für eine Fahrt von München
nach Innsbruck brauchte man bis zu dreißig Stun-
den. Die meisten waren nur auf der Durchreise,
aber immer mehr wählten Tirol auch als Ziel. Eine
beliebte Rast auf demWeg nach Süden war Brixen,
wo man gern imGasthof »Elephant« abstieg, dem
wohl besten Hotel in dieser Region. Die Reisenden
waren in der Mehrzahl Aristokraten, Kaufleute und
Bildungsbürger, doch die eigentlichenWegbereiter
einer touristischen Bewegung waren Schriftsteller
und Maler aus Bayern. Voll Tatendrang und Ent-
deckerlust erklommen sie Gipfel, durchwanderten
Täler und schilderten die Schönheit der Landschaft
sowie die Ursprünglichkeit der Menschen.
Wie die Sommerfrische über die Alpen kam
Auf dem Weg nach Süden wurden viele Künstler
magisch von Klausen am Fuß des Klosters Säben
angezogen. In dem engen, verwinkelten Ort glaub-
ten sie, den Idealtypus eines mittelalterlichen
Städtchens gefunden zu haben. Die reichverzier-
ten Erkerfenster, die bunten Fassaden, die kleinen
Handwerkerstuben und die einladenden Gasthäuser
begeisterten die Maler. Wo sich einst schon Dürer
inspirieren ließ, wuchs eine Künstlerkolonie heran.
Am Ritten vorbei, der Geburtsstätte der Sommer-
frische, führte der Weg hinunter nach Bozen, der
reichsten und heißesten Stadt Tirols. Hier begeg-
nete dem Reisenden aus Bayern zum ersten Mal
der Süden: »Die italienischen Landleute, die auf
demMarkt sitzen oder unter den Lauben rasten, die
italienischen Aufschriften über deutschen Waren
gewölben, das offene Leben vor den Kaffeehäu-
sern … erinnert daran, dass man an den Thoren von
Wälschland steht«, notierte Ludwig Steub damals
begeistert. Seine literarische Betrachtung »Drei
Sommer in Tirol« sollte in Bayern zum Bestseller
werden. Steub war es auch, der den Begriff »Som-
merfrische« – in Tirol schon lange gebräuchlich –
im gesamten deutschen Sprachraum verbreitete.
Besonders der Schriftsteller Heinrich Noé aus Mün-
chen wurde mit seinen zahlreichen Aufsätzen und
Artikeln zu einem Entdecker und Kenner Tirols,
dem die Stadt Bozen ein Denkmal errichtete.
Lärchenbadewannen und Kegelbahn
In den Anfangszeiten des Tourismus reiste man
gerne der Gesundheit wegen und bereits 1830waren
in Tirol über 120 Bäder in Betrieb. Eines der
ältesten »Bauernbad’l« liegt in Abfaltersbach im
Hochpustertal, und ist noch im Originalzustand
erhalten. 1772 ganz aus Holz errichtet, wird seither
ohne Unterbrechung das Schwefelwasser genutzt.
Heute wie damals steigt man in geräumige Lär-
chenbadewannen, umGelenkschmerzen, Rheuma
und Ischias zu heilen. Fast jedes »Bauernbad’l«
verfügte über ein Gasthaus mit Kegelbahn, wo es
oft hoch herging.
Bereits 1835 hatte
der Münchener Kaufmann
Georg von Kloeber für eine Bahnverbindung von
Bayern über Tirol nach Oberitalien plädiert. 1864
dann wurde die Strecke zwischen Innsbruck und
Bozen von Carl von Etzel in Angriff genommen,
dessen Bronzebüste noch heute am Brennerbahn-
hof wacht. Die schwierige Trassenführung durch
Schluchten und Berge erforderte zahllose Brücken
und Tunnels. Nach nur drei Jahren Bauzeit, ohne
jede Maschine, war die »Weltbahn«, wie die Bren-
nerbahn damals hieß, fertig gestellt. Sie kurbelte
die Wirtschaft an und verdoppelte in Südtirol die
Zahl der Übernachtungen auf einen Schlag.
Die »Weltbahn« führte Sisi nach Meran
Im Schloss Trauttmansdorff bei Meran mietete sich
die österreichische Kaiserin Elisabeth mit ihren
Töchtern ein, immer auf der Flucht vor dem höfi
schen Zeremoniell. Vier Reisen führte die Wit-
telsbacherin nach Tirol. Angezogen vom milden
Klima und dem südländischen Pflanzenreichtum,
erforschte sie die Umgebung Merans. Für den auf-
strebenden Kurort bedeuteten Sisis Besuche eine
enorme Aufwertung und immer mehr prominente
Gäste folgten dem kaiserlichen Beispiel und nah-
men Quartier in Meran. Trauben- und Molkekuren
wurden propagiert, eine Kaltwassser-Heilanstalt
und ein Kursaal errichtet und sogar eine baye-
rische Hofapotheke stand bereit. Das elegante
Jugendstil-Theater von Meran entwarf der Münch-
ner Archtitekt Martin Dulfer. Lange praktizierte
hier auch Sisis Bruder Karl Theodor, Herzog in
Bayern, als Augenarzt und seine Büste erinnert
noch daran, dass er die Tiroler oft kostenlos ope-
riert hatte.
Ein wenig im
Schatten von Meran stand der
Kurort Gries bei Bozen, obwohl es sich eben-
falls dem Nobeltourismus verschrieben hatte. In
Gries entstanden mondäne Hotels mit üppigen
Fassaden, Säulen und Giebeln sowie großzügigen
Gesellschaftsräumen. In diesen »Schlössern des
Bürgertums« durfte sich endlich auch der Mit-
telstand auf eine Stufe mit dem Adel stellen –
sofern er sich die Preise leisten konnte. Der örtli-
che Klerus war gar nicht begeistert von den Seg-