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aviso 2 | 2018

KUNST = MEDIZIN

COLLOQUIUM

Warum gute Kunst verstört

ImNachlass von Lothar-Günther Buchheim haben wir eine

kleine Farbstiftzeichnung von Gustav Klimt entdeckt, ein

»Liegender Akt mit angezogenem Bein«, der tiefe Einblicke

in den weiblichen Schoß gewährt. Auf dem heutigen kultu-

rellen Hintergrund der allseitigen Verfügbarkeit von Porno-

grafie stellt das Blatt keine Sensation mehr dar. Es ging also

darum, seine ursprüngliche erotische Brisanz wieder erlebbar

zu machen. Dafür haben wir weitere Zeichnungen von Klimt

mit ihrer Inspirationsquelle, den japanischen Shunga-Holz-

schnitten des 19. Jahrhunderts, zu einer Ausstellung vereint.

Bei den Shunga handelt es sich um triefend deutliche sexu-

elle Darstellungen. Weil unsere Besucher selbst entscheiden

sollten, ob sie das sehen wollten, haben wir die Eingangs-

türen der Ausstellung mit einer Warnung versehen: »Bitte

treten Sie nicht ein, wenn Sie sich durch explizit erotische

Bilder belästigt fühlen!«

Porno-Bude und Vandalenkunst

Das hat eigentlich sehr gut geklappt. Nur einer hat sich nicht

daran gehalten. Der hat uns dann eine böse E-Mail geschickt:

»So schlecht geht es dem Buchheim Museum also inzwi-

schen, dass es mit ekligen Porno-Bildchen Besucher anlo-

cken will. Wie erbärmlich. Das BuchheimMuseum? Elende

Porno-Bude, kannste vergessen!« Er gab sich zu erkennen

als Wolf D. Pecher, Autor der Streitschrift »Künstlers Shit.

Kunst die keiner braucht«. Ich bedankte mich bei ihm für

seine Meinungsäußerung mit zwei Eintrittsgutscheinen und

bat ihn um Zusendung seines Buches, in dem ich dann auch

angeregt blätterte. Weil ich damals gerade eine Ausstellung

über Münchner Street-Art-Künstler vorbereitete, las ich das

Kapitel »Vandalenkunst« mit besonderem Vergnügen.

Pecher berichtet darin, dass sich inMünchen der Oberbürger-

Spielräume für die Phantasie!

Text:

Daniel J. Schreiber

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Zerlegen und neu Zusammensetzen – Riesenkaleidoskop im Buchheim Museum.