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noch. Doch Frauen rücken auf. Ich glaube, Männer kom­

men um uns Frauen so langsam nicht mehr herum. Das liegt

sicher auch daran, dass immer weniger Männer in den Kul­

turbetrieb gehen, da die Verdienstmöglichkeit zu gering ist.

Frauen geben sich auch mit weniger Gehalt zufrieden (nach

dem Motto: bin ja dankbar, dass ich überhaupt eine Stelle

habe – den Satz würden sie von einem Mann kaum hören),

das werfe ich Frauen im Kulturbetrieb vor.

2.

Ich sehe in meinen Mitarbeitern und Kollegen kein

Geschlecht, das blende ich aus.

3.

Ich habe mir Dinge von männlichen Führungskräften

»abgeschaut«. Schnelle, klare Entscheidungen – ohne Angst

vor Konsequenzen. Verantwortung übernehmen, loslassen

lernen. Netzwerken, Netzwerken, Netzwerken (mit und ohne

Bierchen am Abend). Strategisch die berufliche Laufbahn

planen und durchziehen. Nicht dauernd Entscheidungen

erklären, Dinge stehen lassen.

4.

Gute Führung ist geschlechterunspezifisch. Habe dies­

bezüglich schon mit Männern und Frauen schlechte, aber

natürlich auch sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich führe

freundlich, aber auch sehr bestimmt und klar in meinen

Aussagen. Ich versuche fair zu sein und erlaube es mir (mög­

lichst) nicht, persönliche Befindlichkeiten gegenüber meinen

Mitarbeiter*innen auszubilden – was durchaus vereinbar ist

mit Herzlichkeit und Empathie. Schließlich geht es nicht nur

um den Job, den wir alle zu erfüllen haben, sondern auch

um unsere Persönlichkeiten.

5.

Das Thema Kinder! Ich habe manchmal das Gefühl, eine

Krankheit wäre weniger schlimm. Ich kann es nicht mehr

hören. Am liebsten würde ich das Thema verbieten – keine

Angabe in der Bewerbung, keine Angaben bei Krankheits­

meldungen, egal, ob ich krank bin, mein Kind oder ein zu

pflegender Elternteil. Einfach Kinder als Selbstverständlich­

keit! Wenn man als Frau in einer Leitungsposition ein Kind

bekommt, wird es nämlich richtig haarig, da fällt man erst­

mal richtig tief – nach dem Motto, es gibt keine 70% Füh­

rungskraft – als würden wir an offenen Herzen operieren

und ich würde einfach gehen. Jeder Mann, der Elternzeit

nimmt oder auf längere Zeit seine Stelle reduziert, trägt zu

einer Entwicklung in Richtung Normalität bei. Es werden

auch leider keine Anreize geschaffen, dass man Kinder be­

kommt. Betriebskindergärten oder Homeoffice-Regelungen

würden sehr helfen.

6.

Ja, warum auch nicht bei so vielen Frauen?

7.

Leider ja. Absolvierende in Studiengängen, die beruflich

in den Kulturbetrieb führen, sind i. d. R. 2/3 weiblich, Ten­

denz seit Jahren steigend. Trotzdem bekommen die leiten­

den Stellen häufig männliche Bewerber. So lange nicht auf

allen Ebenen im Kulturbetrieb das Geschlechterverhältnis

ähnlich dem der StudienabgängerInnen ist, bin ich für eine

Quote. Trotzdem muss ich als Frau natürlich auch kritisch

hinterfragen, ob es auch an meinem Auftreten, z. B. in Vor­

stellungsgesprächen liegen könnte, wenn ich eine Stelle nicht

bekomme. »Die Männer sind halt schuld.« – nein, so einfach

dürfen wir es uns nicht machen.

DR. UTA WERLICH

DIREKTORIN MUSEUM FÜNF KONTINENTE

1.

Im Museum Fünf Kontinente ist der Anteil von Frauen

undMännern in der Belegschaft nahezu ausgeglichen. Aller­

dings sind die Werkstätten nach wie vor eine Männerdomä­

ne, die Kultur- und Kunstvermittlung ist dagegen weiblich

bestimmt. Typische Rollenbilder finden sich also auch im

Museumwieder. Schaut man auf die ethnologischen Häuser

im deutschsprachigen Raum, so fällt auf, dass sie mehrheit­

lich von Frauen geleitet werden. Sicherlich könnte man an

dieser Stelle kritisch nachdenken, ob dies mit der sozialen

Wertigkeit der Einrichtungen zu tun hat.

2.

Ausstellungen sind bei uns im Haus Teamarbeit, da tref­

fen automatisch verschiedene Sichtweisen aufeinander. Auch

diskutieren wir gemeinsam über die Zielgruppen unserer

Ausstellungen: In den meisten Fällen wollen wir ein mög­

lich breites Publikum ansprechen, sowohl Männer als auch

Frauen.

3.

Fleiß, Durchhaltevermögen und Kompetenz sind wichtig.

Man muss sich fokussieren, sein Ziel nicht aus den Augen

verlieren und sich von Misserfolgen nicht entmutigen las­

sen. Und man sollte sein Licht nie unter den Scheffel stellen.

Leider gilt immer noch: Wer am lautesten schreit, wird am

besten gehört.

4.

Ich selbst bevorzuge einen kommunikativ-kooperativen

Führungsstil. Für die Anliegen meiner Mitarbeitenden ver­

suche ich, stets ein offenes Ohr zu haben und sie bei der Um­

setzung ihrer Arbeitsvorhaben so gut wie möglich zu unter­

stützen. Umgekehrt erwarte ich aber auch ein hohes Maß an

Eigeninitiative und Engagement.

6.

Ja, unbedingt. Gendern ist zwar mit etwas mehr Aufwand

verbunden, aber das generische Maskulinum ist eben nicht

neutral. Vielmehr zeigt es, dass die männliche Form nach

wie vor als die normale wahrgenommen wird. Im Museum

Fünf Kontinente werden wir daher zukünftig auch mit dem

Gender-Sternchen arbeiten.

7.

Grundsätzlich sollte die Qualifikation entscheidend sein.

Allerdings können Quoten helfen, Diversität dort voranzu­

bringen, wo sie sich nicht von alleine einstellt.