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Initiative hierfür war von der Bayreuth International Gradua-
te School of African Studies (BIGSAS) unter der Leitung von
Professor Dr. Dymitr Ibriszimow ausgegangen. ImRückblick
bekennt der heute weltberühmte Autor, dass der damalige For-
schungs- und Studienaufenthalt ein Wendepunkt in seinem
Leben gewesen sei, denn nicht zuletzt die räumliche Nähe
zum Lebensmittelpunkt Richard Wagners habe sein Den-
ken beeinflusst: »Die Vorherrschaft einiger weniger Sprachen
auf dem Erdball ist der Reduzierung eines riesigen Wagner-
Orchesters auf wenige, ähnlich klingende Blechblasinstru-
mente vergleichbar. Der Tod jedweder Kultur und Sprache
verkleinert das menschlicheWelorchester. Wenn die Ehre, die
diese ehrwürdige Universität mir heute zuteil werden ließ,
dazu beiträgt, dieWelt daran zu erinnern, dass der Kampf für
die Sprache weitergehen muss, dann nehme ich diese Ehre
dankbar an«, betonte der Geehrte in seiner Dankesrede an-
lässlich der Würdigung seines Werks.
Seit vielen Jahren
lehrt Ngu˜g˜ wa Thiong’o, der wie-
derholt für den Literaturnobelpreis nominiert war, als Dis-
tinguished Professor of English and Comparative Literature
an der University of California, Irvine (UCI). Er wendet sich
entschieden gegen Versuche, hierarchische Beziehungen zwi-
schen Kulturen, Sprachen, gesellschaftlichen und ethnischen
Gruppen zu konstruieren. »Sprachen und Kulturen können
und sollen in Form von Netzwerken zueinander in Beziehung
stehen. Ein Netzwerk basiert auf einem System des Gebens
und Nehmens; man könnte es auch ein Brückensystem nen-
nen. Eine lebendige Brücke ist immer ein Zwei-Wege-Prozess,
niemals eine Einbahnstraße, ansonsten würde sie aufhören,
Brücke zu sein. Wir müssen weiterhin Brücken zwischen den
Sprachen und Kulturen bauen, egal wie groß oder klein sie
sind.« Denkweisen und Gewohnheiten, die zu einer »absolu-
ten Vorherrschaft der europäischen Sprachen im wirtschaft-
lichen, politischen und kulturellen Leben Afrikas« geführt
hätten, seien daher zu überwinden. »Die europäischen Groß-
reiche als physische Gebilde mögen ihr Ende gefunden haben,
zumindest in ihrer alten, kolonialen Erscheinungsform, doch
haben die metaphysischen europäischen Großreiche überlebt.
Das hat zu einem haarsträubenden Phänomen geführt: zur
aggressiven Umfassung durch europäische Sprachen, und
gleichzeitig zur aggressiven Ablehnung afrikanischer Sprachen.
Umfassung des Fremden, Flucht aus demEinheimischen: So
sieht es heute auf dem Kontinent aus.«
An diesem Befund
, so meint der kenianische Literat und
Kulturtheoretiker, sei die gebildete Mittelschicht in den Län-
dern Afrikas nicht unschuldig: »
Während
des antikolonialen
Kampfes benutzte die afrikanische Mittelklasse die europäi-
schen Sprachen strategisch und taktisch als Quellen zur Stär-
kung der afrikanischen Sprachen imFreiheitskampf.
Nach
der
Unabhängigkeit aber nutzte die neue, postkoloniale Mittel-
klasse die afrikanischen Sprachen auf entgegengesetzteWeise:
allein als Quellen zur Stärkung der englischen und anderen
europäischen Sprachen.
Während
des antikolonialen Kampfes
agierten die Gebildeten als Späher im fremden linguistischen
Gelände.
Nach
der Unabhängigkeit wurden die Gebildeten zu
Gefangenen in einem europäischen linguistischen Gefäng-
nis. Wir sammeln intellektuelle Begriffe und stecken sie in
europäische Sprachmuseen und -archive. Das ist innerhalb
und außerhalb Afrikas zur intellektuellen Norm geworden.«
Exzellentes Forschungsumfeld für exzellenten Forschernachwuchs:
Die Bayreuth International Graduate School of African Studies
(BIGSAS) fördert seit ihrer Gründung im Jahre 2007 im Rahmen
der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder herausragende
Doktorandinnen und Doktoranden durch ihre fakultäts- und fächer
übergreifende Verankerung im Afrikaschwerpunkt der Universität
Bayreuth. In Bayern war die BIGSAS während der ersten Phase
ihrer Förderung das einzige in den Geisteswissenschaften angesie-
delte Projekt der Exzellenzinitiative. Mit besten Bewertungen erhielt
sie im Jahr 2012 eine Förderung für weitere fünf Jahre.
Die inzwischen 48 abgeschlossenen Dissertationen basieren auf
eigenständig entwickelten Forschungsfragen und zeigen ein ho-
hes wissenschaftliches Niveau. In kleinen Arbeitsgruppen profi-
tieren die Promovierenden vom internationalen Austausch: Insge-
samt 31 Länder – davon allein 20 Länder in Afrika – vernetzen sich
in einer gemeinsamen Promovierendenkultur. Zudem verbindet die
BIGSAS wissenschaftliche Exzellenz von sieben Universitäten auf
zwei Kontinenten in einem ›interkontinentalen Campus‹.
Aufgrund einer gezielten Berufungspolitik der Universität Bayreuth
ist die Vielfalt der Disziplinen, in die die BIGSAS eingebettet ist, ein-
zigartig in der internationalen Hochschullandschaft: Geistes-, Sozial-
und Kulturwissenschaften sowie mittlerweile auch Natur- und
Ingenieurswissenschaften und Angewandte Informatik arbeiten bei
der Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses zusammen.
links
Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Bayreuth an
Professor Ngu˜g˜ wa Thiong’o. (v. l. n. r.) Professor Dr. Stefan Leible, Prä-
sident der Universität Bayreuth; Njeeri wa Ngu˜g˜, Gattin des Geehrten;
Professor Ngu˜g˜ wa Thiong’o; Professor Dr. Dymitr Ibriszimow,
Sprecher der Bayreuth International Graduate School of African Studies.
Wissenschaftliche
Exzellenz in Oberfranken
Die Bayreuth International Graduate
School of African Studies (BIGSAS)