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Afrikanische Sprachen: Ressourcen für den Weg ins Freie
Was aber ist zu tun, um dieses »linguistische Gefängnis« aufzubrechen?
Wie lassen sich produktive Entwicklungen in Gang setzen, in denen sich
afrikanische Ressourcen der Kultur und des Wissens frei entfalten kön-
nen? Ngu˜g˜ wa Thiong’o hat dafür exemplarische Anstöße und Anre-
gungen gegeben, die bis heute wirksam sind und sich in zahlreichen wis-
senschaftlichen Auseinandersetzungenmit seinemWerk niederschlagen.
»Er ist in Afrika nicht zuletzt durch seinen Einfluss auf dem Gebiet des
Protesttheaters und Partizipationstheaters bekannt geworden«, erklärt
Dr. Rémi Tchokothe, Afrikanist an der Universität Bayreuth und Absol-
vent der BIGSAS. »Er wollte denjenigen Kenianerinnen und Kenianern,
die in ländlich geprägten Regionen leben, eine Stimme geben und sie zu
einem selbstbewussten Umgang mit ihren Interessen ermächtigen.« Als
Dramatiker unterstützte er die Menschen dabei, mit einfachen Mitteln
ihr eigenes Theater zu bauen und in ihrer kenianischen Muttersprache
Kikuyu an den Aufführungen sozialkritischer Szenen mitzuwirken –
ein Beispiel dafür, wie sprachliche Eigenständigkeit sich mit politischer
Widerständigkeit verbindet. Doch das 1977 entstandene Theaterstück
»Ich heirate wann ich will«, eine Auseinandersetzung mit ungerechten
Macht- und Besitzverhältnissen in Kenia, wurde kurz nach der Veröf-
fentlichung verboten und der Autor selbst inhaftiert.
Während der Zeit
im Gefängnis entstand Ngu˜g˜ wa Thiong’os
erster Roman in seiner Muttersprache Kikuyu mit dem Titel
»Caitaanimu˜tharaba-In˜« (»Der gekreuzigte Teufel«, 1982). Die
Erfahrung der physischen Unfreiheit bestärkte ihn in der Auffassung,
dass kein anderes Medium als die eigene Muttersprache besser geeignet
sei, den Kolonialismus mental zu überwinden und die eigene Identität
den Übergriffen eines fremdbestimmten Postkolonialismus zu entziehen.
»Das Prinzip, das Ngu˜g˜s literarische Aktivität zumindest in den vergan-
genen drei Jahrzehnten getragen hat, besteht in der Überzeugung, dass
die Erinnerung eines Volkes, d. h. die kritische Basis seiner Subjektivi-
tät, in seiner eigenen Sprache bewahrt wird«, erklärt Professorin Anne
Ideen für die Welt von morgen
Der 5. Mai 2014 war für die Universität Bayreuth nicht
allein aufgrund des Festakts für Professor Ngu˜ g˜ wa
Thiong’o ein Höhepunkt. Denn an diesem Tag unterzeich-
neten die Präsidenten und Rektoren der sechs afrika-
nischen Partneruniversitäten der BIGSAS gemeinsam mit
dem Präsidenten der Universität Bayreuth eine zukunfts-
weisende Vereinbarung. Darin bekräftigen sie ihre Ent-
schlossenheit, die vertrauensvolle Kooperation in den kom-
menden Jahren zu vertiefen – getreu der BIGSAS-Devise:
»Forschung über Afrika nur gemeinsam mit Afrika«. Die
erfolgreiche innerafrikanische Vernetzung soll insbeson-
dere auf dem Gebiet des Hochschulmanagements weiter
ausgebaut werden. Für die kommenden Jahre sind daher
regelmäßige Treffen und rotierende Diskussionsforen ge-
plant. Hierbei wird es beispielsweise um Qualitätssiche-
rung, Diversitäts- und Gleichstellungsmaßnahmen oder
auch um Nachwuchs- und Forschungsförderung gehen.
Den Willen zu künftiger Vernetzung und Kooperation be-
kundeten auch die rund 40 Absolventinnen und Absol-
venten der BIGSAS, die aus aller Welt zu einem mehr-
tägigen Treffen angereist waren. Sie alle tragen heute in
unterschiedlichsten beruflichen Positionen Verantwor-
tung, sei es in Europa, Afrika oder Nordamerika. Und sie
wollen ihre hervorragenden wissenschaftlichen Kompe-
tenzen und ihre Erfahrungen aus der Praxis nutzen, um
gemeinsam neue Ideen für die Welt von morgen auf den
Weg zu bringen. Die Absolventinnen und Absolventen
der BIGSAS sind auf diese Weise auch zu Botschafte-
rinnen und Botschaftern Bayerns in aller Welt geworden:
mit vielen Erinnerungen an wunderbare Promotionsjahre
in Bayreuth und der Zukunft zugewandt.
Foto: Yannick Tylle