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Die Washingtoner Konferenz von 1998
Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen wa-
ren das einzige deutsche Museum, das 1998 eine
Vertreterin zur Washingtoner Konferenz über Ver-
mögenswerte aus der Zeit des Holocaust entsandte.
Bald darauf wurde eine Überprüfung der Bestände
mit besonderemAugenmerk auf die sogenannte Gö-
ring-Sammlung initiiert, woraus eine grundlegen-
de Publikation resultierte. Seit 2008 verfügen sie
über ein eigenes Referat für Provenienzforschung,
in dem jetzt vier Mitarbeiter(innen) tätig sind. Die
Staatsgemäldesammlungen haben seit 1998 insge-
samt zwölf Werke aus jüdischen Kunstsammlungen
restituieren können. Wir arbeiten weiterhin aktiv
an der Überprüfung der umfangreichen Bestän-
de, zu denen bekanntlich auch solche gehören, die
nicht aus den fürstlichen Kernsammlungen oder
den staatlichen Museen stammen, sondern aus
solchen Einrichtungen der nationalsozialistischen
Zeit, deren Rechtsnachfolge beim Freistaat Bayern
liegt. In der zentralen Datenban
werden seit 2004 jene Werke als Fundmeldungen
eingestellt, bei denen sich ein verfolgungsbeding-
ter Entzug nicht ausschließen lässt. Damit wird die
größtmögliche Transparenz geboten.
DAS REFERAT FÜR
Provenienzforschung hat darüber hinaus
die Website zu dem jüdischen Kunsthändler Alfred Flecht-
heim initiiert und koordiniert, betreut drittmittelgeförderte
Forschungsprojekte zu weiteren Kunsthändlern und -samm-
lern und ist maßgeblich imArbeitskreis Provenienzforschung
e. V. sowie im Forschungsverbund Provenienzforschung in
Bayern tätig.
Gerechte und faire Lösungen
Doch Provenienzforschung dient heute nicht mehr allein der
Herausgabe von unrechtmäßig erworbenem Gut, also der
Wiederherstellung selbstverständlicher rechtlicher Zustände.
Sie dient mehr und mehr auch dazu, Anfragen von Rechts-
nachfolgern bzw. ihren Vertretern so zu beantworten, dass
die Rechtmäßigkeit des Besitzes nachgewiesen wird. Denn
mitunter gibt es Zweifel an dieser Rechtmäßigkeit, die man
zum gegenseitigen Nutzen ausräumen muss. Dass es über-
dies Aufgaben gibt, die von uns nicht gelöst werden kön-
nen, hat die jüngere Geschichte gezeigt: Auch der Besitz von
Privatpersonen kann Fragen unseres Rechtsverständnisses
berühren. Sobald dies – etwa für Erwerbungen, Vermächt-
nisse oder Schenkungen – für Museen relevant wird, muss
man sich auch hiermit sorgfältig und kritisch auseinander-
setzen.
WIR SIND SEHR
froh über ein dichtes, institutionsübergrei-
fendes, sachbezogenes Netzwerk, so mit den staatlichen und
städtischen Archiven, dem Institut für Zeitgeschichte, dem
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, die unsere Forschun-
gen vielfältig unterstützen. Künftig werden wir uns neben
der objektbezogenen Recherche auch der Institutionsge-
schichte in der Mitte des 20. Jahrhunderts widmen müssen,
wobei in ersten Gesprächen mit anderen hiesigen Institutio­
nen deutlich wurde, dass das idealerweise im Verbund mit
anderen Einrichtungen geschehen wird. Dann erweitert sich
der Verbund voraussichtlich hin zu den Universitäten und
anderen Forschungseinrichtungen. Je größer die Unterstüt-
zung, desto größer der Effekt und desto schneller können
wir die selbstverständliche Pflicht der Entschädigungen er-
bringen und desto umsichtiger können wir erforschen, ob
es möglicherweise noch verborgene Fälle unrechtmäßi-
gen Eigentumsentzuges vor zwei Generationen gibt: Diese
Geschichte ist nie ganz abgeschlossen und wird uns moralisch
immer beschäftigen, aber sie muss unter dem historischen
Aspekt mit aller Kraft weiterverfolgt werden.
Forschungsprojekte für die Bestände der Bayerischen
Staatsgemäldesammlungen
Eine besondere Herausforderung für die Provenienzforschung
an den Pinakotheken sind die sogenannten Ȇberweisungen
aus Staatsbesitz« – über 900 Gemälde und Skulpturen, die
einst die Büros und Wohnhäuser von Nationalsozialisten in
hochrangigen Ämtern schmückten und nach Kriegsende
in den Museumsbestand überführt worden sind. Darunter
befinden sich Werke aus den Sammlungen von Reichsmar-
aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
COLLOQUIUM
oben
Startseite der
Website
initiiert und konzi-
piert von dem Referat
Provenienzforschung
und der Online
Redaktion der Bayeri-
schen Staatsgemälde-
sammlungen.
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