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aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
COLLOQUIUM
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Forschungsfeld
Provenienz
GRÖSSE UND GRENZEN EINER AUFGABENSTELLUNG FÜR DIE
BAYERISCHEN STAATSGEMÄLDESAMMLUNGEN
Text:
Bernhard Maaz mit Andrea Bambi, Johanna Klapproth, Florian Wimmer und Anja Zechel
DIE VIELFALT DER
Museumsaufgaben ist häufig
beschrieben, doch sie differenziert sich stetig weiter
aus: Sammeln, Forschen, Bewahren und Vermit-
teln sind Kernaufgaben jeder musealen Institution.
Unter »Forschung imMuseum« stellt sich der Laie
vielleicht vor, dass die Kustoden Bücher über das
Leben verstorbener Künstler oder Aufsätze über
Kunstwerke lesen oder Kataloge undMonografien
schreiben. Gewiss, das gehört ganz gelegent-
lich (und meist in der Freizeit) noch immer zur
Museumsarbeit, aber es macht nur einen Bruch-
teil der täglichen Arbeit aus. Die heutige Breite der
Museumsforschung ist weit größer: Seit langer Zeit
haben sich neben der Quellenkunde und Stilkritik
neue grundlegende naturwissenschaftliche Metho-
den zur Echtheitsermittlung eingebürgert, längst
sind Quelleneditionen sowie Bestandskataloge
als seriöse Forschungsziele etabliert – und doch
werden sie mitunter in der Wissenschaftsförde-
rung als vermeintlich zu vernachlässigende, weil
selbstverständliche Grundlagenarbeit belächelt.
Leider ist dem nicht so, da die dafür erforderli-
chen Ressourcen oftmals fehlen. Überdies mei-
nen viele Zeitgenossen, die Objekte der Museen
seien »ausgeforscht«, man wisse alles und kön-
ne nur noch zur zeitgenössischen Kunst Neues
ermitteln.
Doch mit wachsender Distanz zur Entstehung von
Kunstwerken ändern sich die Wahrnehmung und
notwendigerweise auch die akademische Fragestel-
lung. ErstindenletztenzweiJahrzehntenhatsichdie
Notwendigkeit etabliert, die Herkunft aller Werke
genauer zu kennen, die nach 1933 in die Museen
kamen und vor 1945 entstanden sind. Heute kann
man kein Kunstwerk mehr in einemMuseum hüten
oder für einMuseum erwerben, das dieses doppelte
Kriterium erfüllt, ohne sich damit zu befassen, wem
es in jenem fatalen Zeitraum gehörte. Stets muss
man die Frage stellen, ob es damals möglicherweise
einem jüdischen Besitzer unrechtmäßig entzogen
wurde. Dieser Frage geht die Provenienzforschung
nach. Sie führt damit unter neuem Fokus etwas
fort, was seit jeher – aber eben zunächst unter min-
der skeptischem Blickwinkel – zur Forschung in
Museen gehörte, nämlich die Sammlungsgeschichte.
Allerdings wurde bis vor wenigen Jahrzehnten
Sammlungs- als Geschmacksgeschichte verstan-
den und war nicht mit moralischen oder juristi-
schen Fragen durchwoben, wie es für die heutige
Provenienzforschung der Fall ist.
Grundlagen der Forschung
Wenn man die drei großen Museumsverbünde
Deutschlands miteinander vergleicht, so stellt sich
die Situation folgendermaßen dar: Die Staatlichen
Museen zu Berlin haben für ihre Sammlungsfor-
schung seit langem ein eigenes Archiv, das soge-
nannte Zentralarchiv, das die Dokumentationen
zu den Kunstwerken bewahrt, erschließt und der
Forschung zugänglich macht, das also als integra-
ler Bestand der Museen und Sammlungen funk-
tioniert. Für die Staatlichen Kunstsammlungen
Dresden wurde eine vergleichbare Form jüngst
etabliert. Allerdings ist die Personalausstattung
weitaus geringer als in Berlin, wo es eine Leite-
rin gibt, der ein Provenienzforscher, zwei Archi-
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