|13 |
tet, bislang vermutlich noch immer mehr als in Tschechien.
Unter dem totalitären Regime hatten die Menschen andere
Sorgen als die Pflege einer kultivierten Nationalküche, und
davon hat sich die tschechische Küche bis heute leider noch
nicht überall erholt. Natürlich gibt es auch gute Restaurants,
aber die Vorliebe für Sprühsahne- und »Hermelín«-Garnie-
rung (dahinter verbirgt sich nicht etwa das königsmantellie-
fernde Nagetier, sondern eine Art Briekäse), ob es nun passt
oder nicht, ist nach wie vor immer noch recht häufig verbrei-
tet, gerade auf dem Land. Selten geht man aber fehl, wenn
man das (auch nicht ganz kalorienfreie) Nationalgericht, ge-
nannt Svícˇková, bestellt, Rinderlendenbraten – wenn es ganz
fein zugeht, ein gespicktes Ochsenmeiserl – mit Rahmsoße.
Bekannt wurde die
böhmische Küche in Bayern natür
lich auch durch Gaststätten und Restaurants. In München
war es im Jahr 1961 das Restaurant »Goldene Stadt«, das von
demFilmmagnatenMiloš Havel, Onkel des Präsidenten Václav
Havel, zusammen mit dem Gastronomen Dušan Hubácˇek
gegründet wurde. Das Restaurant ist in ganz Deutschland
bekannt geworden; zahlreiche Prominenz war dort zu Gast.
Nach dem Tod von Dušan Hubácˇek 1996 wurde es geschlos-
sen. 1976 eröffnete ich in München-Schwabing als langjäh-
riger Mitarbeiter der »Goldenen Stadt« das Restaurant
»St. Wenzel«, das ebenso bekannt wurde wie die »Goldene
Stadt« und von zahlreichen illustren Gästen geschätzt war.
Die böhmische Küche ist aus der Kultur Europas nicht weg-
zudenken, und bei erstklassigem Essen mit Pilsner Bier, das
übrigens ein bayerischer Bräumeister kreiert hat, lassen sich
viele politische wie zwischenmenschliche Differenzen ausräu-
men. Hoffen wir, dass die böhmische Kochkunst im vereinten
Europa wieder den Platz einnehmen wird, der ihr gebührt!
die alte und neue böhmische Küche
Erhard Špacˇek
sorgt dafür, dass die altböhmische Küche
unvergessen bleibt. Der Starkoch stammt aus dem böhmischen
Kurort Teplitz-Schönau und wuchs zweisprachig auf, denn
sein Vater war Tscheche, die Mutter Deutsche. 1964 kam er
nach München und eröffnete 1976 in Schwabing das »Restau-
rant St. Wenzel«. Es folgten TV-Auftritte in der 5-teiligen
Serie des Bayerischen Rundfunks »Briefe aus Böhmen« über
Geschichte und Küche Böhmens. Seine beliebtesten Rezepte
sind im Kochbuch »Die neue böhmische Küche« anschaulich
erklärt. (derzeit nur antiquarisch, Neuauflage geplant)
1
Kartoffeln waschen, mit der Schale kochen, auskühlen lassen und
pellen. Dann durch eine Kartoffelpresse drücken oder reiben.
Die Kartoffelmasse mit den Eiern, dem Mehl und der Weizenstärke
zu einem glatten Teig verarbeiten.
2
In einem großen Topf reichlich leicht gesalzenes Wasser zum
Kochen bringen. Auf einem bemehlten Backbrett den Teig
etwa 3 mm dick ausrollen. Mit einem Formausstecher runde, etwa
6 cm große Plätzchen ausstechen. Den Powidel mit dem Rum
verrühren und mit einem Teelöffel mittig auf die Plätzchen verteilen.
Das Eiweiß leicht verschlagen und die Teigränder damit bestrei-
chen, damit sie sich beim Kochen nicht öffnen. Die Plätzchen mittig
übereinander schlagen und die Ränder festdrücken.
3
Die Powideltascherl mit einem Schaumlöffel vorsichtig ins
siedende, nicht kochende Wasser gleiten und dort etwa 6 Minuten
ziehen lassen. Dabei vorsichtig umrühren, damit sich die
Tascherln vom Topfboden lösen. Die Powideltascherl am Ende der
Garzeit vorsichtig mit dem Schaumlöffel aus dem Wasser neh-
men und mit etwas flüssiger Butter vermischen, damit sie nicht
aneinander kleben bleiben. Bis zum Servieren warm halten.
4
Die Powideltascherl auf vorgewärmten Tellern anrichten, mit
heißer Butter begießen und mit Mohnzucker und Puderzucker
bestreuen. Statt Mohnzucker kann man auch Butterbrösel nehmen.
Tipp
Statt sie mit Mohnzucker zu bestreuen, können Sie die Powidelta-
scherl auch in Butterbröseln wenden.
Und zum noch mehr Selberkochen
Erhard Špacˇek: »Die neue Böhmische Küche … und Weine aus Böh-
men und Mähren.« Amalthea-Verlag 2005.
tatschkerln
1
Genaueres ist nachzulesen in Elisabeth Fendl: »Etwas
Pyramidonales: Powidltatscherln aus der schönen Tschechos-
lowakei«, in: Nils Grosch, Sabine Zinn-Thomas (Hgg.):
»Fremdheit Migration Musik. Kulturwissenschaftliche Essays
für Max Matter«, Waxmann Verlag, 2010.
Zutaten
800 g mehlige Kartoffeln
2 Eier
150 g griffiges Mehl
60 g Weizenstärke
Salz
200 g Powidel (Zwetschgenmus)
2 cl Rum
1 Eiweiß
150 g Butter
150 g Mohn, gemahlen
50 g Kristallzucker
Puderzucker zum Bestäuben
Zum Selberkochen
Böhmische Powideltascherl
Für 6 Personen
Fotos: Sepp Eder