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Dr. Claudius Stein
ist Regierungsrat an der LMU München und leitet
stellvertretend Archiv und Kustodie der Universität.
Zum Weiterlesen
Claudius Stein: Die Kunstkammern der Universität Ingolstadt (Beiträge
zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München, Band 9),
erscheint Herbst 2018 im Herbert Utz Verlag.
rechts
Knöringens
Ingolstädter
Sammlungsgebäude,
direkt rechts im
Anschluss an den
Kapellenbau.
daneben
Die Alabas-
terbüste Ferdinands I.
unterstrich inner-
halb der Sammlung
die Verbindung
zum Kaiserhaus
Habsburg.
Suche nach Handschriften für die von ihm we-
sentlich mitgetragenen Acta sanctorum auch nach
Ingolstadt führte: »Eine gut bestückte, aber alte
und verstaubte Bibliothek, die nicht recht geord-
net ist. Ein Sammlungsraum für verschiedene
Raritäten, die unordentlich über Tische und
Regale verteilt liegen oder an den Wänden hän-
gen. Da gab es – was ich bisher nirgendwo gesehen
hatte – Trockenpräparate eines Chamäleon und
einer winzigen Eidechse, und den Kopf einer grö-
ßeren, die einen Rachen aufriß, der von kleinen
elfenbeinfarbenen Scheiben wie beperlt wirkte. Der
Rest befindet sich ebendort unter demDach [!].«
DIEJENIGEN OBJEKTE, DIE
den Schwund über
zwei Jahrhunderte überlebten, gelangten bald
nach 1773 in die Kunstkammer des Jesuiten-
kollegs, welche mit der Ordensaufhebung an die
Hohe Schule gefallen war und die Wanderungen
der Universität mitmachen sollte, also zunächst
nach Landshut, dann nach München; jeder Um-
zug brachte weitere Verluste. 1881 schließlich
überließ die LMU die verbliebenen Stücke dem
Bayerischen Nationalmuseum und dem heutigen
Museum Fünf Kontinente als Dauerleihgabe.
Welches Fazit lässt sich ziehen? Auch wenn Johann
Egolph von Knöringens beeindruckendes Kon-
zept der vereinigten Sammlungen nach nicht ein-
mal zwei Jahrzehnten definitiv zerstört war, hatte
er an der Universität Ingolstadt den Grundstock
gelegt für einen differenzierten Sammlungskom-
plex, dessen verbliebene Bestandteile sich bis
heute an der LMU selbst, meistenteils jedoch in
den Münchener Sammlungen erhalten haben.
Anhand der historischen Inventare sollte Knöringens Objektkorpus
nachgespürt werden – was bisher nur in Einzelfällen unternommen
wurde. Das Ergebnis erscheint lohnend und verlockend: Eine universi-
täre Dingwelt, ein Kulturkosmos der Spätrenaissance, könnte in Form
eines virtuellen Museums wieder auferstehen!
aviso 2 | 2018
KUNST = MEDIZIN
BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE
oben
Amazonische Federarbeit,
im Kunstkammerinventar
von 1682 als »indianische Weiber-
haube« bezeichnet.
links
Faun mit dem Knöringen-
Wappen; das Horn, auf dem
er blies, und das aufgesetzte Reh
geweih fehlen.
© Bayerisches Nationalmuseum (3) | Bischöfliches Ordinariat Augsburg, Kirchliches Bauwesen und Kunst | Ludwig-Maximilians-Universität München (2) | Museum Fünf Kontinente