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aviso 2 | 2018

KUNST = MEDIZIN

COLLOQUIUM

Auch die ästhetischeWahrnehmung setzt – so Han –

Vulnerabilität voraus. Nur durch die Bereitschaft,

sich berühren und irritieren zu lassen, ist eine neue

Erfahrung möglich.

Peter Sinapius, Professor für Kunsttherapie, Arts

und Social Changean der Medical School Ham-

burg: »Wenn ich von Gesundheitsförderung spreche,

meine ich das nicht nur im Sinne von Prävention,

also der Vermeidung von Krankheit, sondern auch

imSinne von Integration dessen, was von der Norm

abweicht oder mit der Erwartung kognitiver Leis-

tungsfähigkeit nicht zusammenpasst.«

DAHER IST EINE

Bemerkung zum Selbstverständnis

notwendig. Der Artikel 5 des deutschen Grundge-

setzes besagt: »Kunst undWissenschaft, Forschung

und Lehre sind frei«. Zentrum unseres Kunstver-

ständnisses ist die Autonomie der Kunst, die Kunst

ist frei, findet ihren Sinn und ihren Zweck in sich

selbst. Und auch, wenn sich die Künste mit ande-

ren Zwecken verbinden können – z. B. in der Wer-

bung, im Design, in der Soziokultur oder in der

politischen Kunst –, so stehen diese Verbindungen

immer in einem gewissen Spannungsverhältnis,

das sich selbst kritisch hinterfragen muss.

Gerade in ihrer Autonomie und Zweckfreiheit

haben die Künste gesellschaftspolitische Relevanz.

rechts

Werk des Preisträgers Michael Golz von

euward-Europäischer Kunstpreis: Ohne Titel.

unten

Werk des Preisträgers Tim ter Wal von euward-

Europäischer Kunstpreis: Old Factory inside.

Beispielsweise trägt die Verwirklichung künstlerischer Freiheit

dazu bei, die Freiheitsrechte unseres Grundgesetzes auszuge-

stalten. Satiren, Karikaturen und neue Kunstformen stärken

Meinungsfreiheit und Demokratie.

GANZ ÄHNLICH IST

es mit der heilsamen Wirkung der Künste.

Kunst wird »um ihrer selbst willen« geschaffen, was bedeu-

tet, dass dieWerke ästhetisch unabhängig sind und nicht auf

eine Intention, einen bestimmten Zweck festgelegt werden

können. Trotzdem oder gerade deshalb kann es der vermeint-

lich nutzlosen L’art pour L’art gelingen, den Burnoutgeschä-

digten unserer Leistungsgesellschaft wieder Lebenssinn und

Lebensfreude zu schenken.