Beschäftigungsbedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses an Hochschulen
I. Ziel und Regelungsgehalt des WissZeitVG
Für das wissenschaftliche Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat der Bundesgesetzgeber 2007 im Wissenschaftszeitvertragsgesetz („WissZeitVG“) Sonderbefristungsregeln geschaffen, die über die allgemeinen arbeitsrechtlichen Befristungsmöglichkeiten nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hinausgehen.
Diese Sonderbefristungsregeln des WissZeitVG betreffen die befristete Beschäftigung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals.
Qualifizierungsphase
Die Befristungsmöglichkeit des § 2 Abs. 1 WissZeitVG in der Qualifizierungsphase ist eine sachgrundlose Befristung. Sie unterscheidet zwischen wissenschaftlichem und künstlerischem Personal vor bzw. nach der Promotion: Vor Abschluss der Promotion ist grundsätzlich eine Höchstbefristungsdauer von sechs Jahren zulässig, (§ 2 Abs. 1 S. 1 WissZeitVG). Nach der Promotion ist grundsätzlich eine maximale Befristungsdauer von sechs, im Bereich der Medizin von neun Jahren zulässig (§ 2 Abs. 1 S. 2 WissZeitVG). Insgesamt liegt die Höchstbefristungsdauer somit bei 12 bzw. im Bereich der Medizin bei 15 Jahren.
Drittmittelprojekte
Die Befristungsmöglichkeit des § 2 Abs. 2 WissZeitVG im Rahmen von Drittmittelprojekten ist eine Sachgrundbefristung. Sie ist zulässig, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und der/die Beschäftigte überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird. Eine Höchstbefristungsdauer ist hier nicht vorgesehen. Befristete Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen von Drittmittelprojekten werden jedoch ggf. auf die Höchstbefristungsdauer des § 2 Abs. 1 WissZeitVG (Qualifizierungsphase) angerechnet, wenn sie in die Qualifizierungsphase fallen, § 2 Abs. 3 WissZeitVG.
Die Befristungsmöglichkeiten des WissZeitVG sind für die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen von enormer Bedeutung. Sie sollen - entsprechend der Intention des Gesetzgebers – sicherstellen, dass jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuschswissenschaftlern einerseits ausreichend Zeit eingeräumt werden kann, sich für eine wissenschaftliche Karriere zu qualifizieren. Andererseits sollen sie dafür sorgen, dass die begrenzt verfügbaren Qualifikationsstellen nach maximal 12 bzw. 15 Jahren wieder frei werden und für die nächsten Generationen von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuschswissenschaftlern zur Verfügung stehen.
II. Novellierung des WissZeitVG
Im März 2016 ist die erste Novelle des WissZeitVG in Kraft getreten. Ziel der Novelle ist es, Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis entgegenzuwirken und vor allem, unsachgemäße Kurzbefristungen im Anwendungsbereich des Gesetzes zu unterbinden.
Die Novelle beinhaltet im Wesentlichen folgende Änderungen:
- Klarstellung, dass die Befristung in der Qualifizierungsphase (§ 2 Abs. 1 WissZeitVG) nur zulässig ist, wenn die befristete Beschäftigung der Förderung der eigenen wissenschaftlichen und künstlerischen Qualifizierung dient. Die Vorschrift wird dadurch nicht zu einer Sachgrund-Befristung. Es handelt sich vielmehr weiterhin um eine sachgrundlose Befristung. Das Qualifizierungsziel ist künftig sinnvollerweise im Arbeitsvertrag zu benennen. Die Wahrnehmung von Daueraufgaben durch befristetes Personal in der Qualifizierungsphase ist nur im Kontext einer (zeitlich überwiegenden) Qualifizierung sachgerecht.
- Die Dauer der Befristung muss sich in der Qualifizierungsphase am Qualifizierungsziel, bei Drittmittelprojekten an der Dauer der Mittelbewilligung orientieren. Kürzere Verträge bleiben in begründeten Ausnahmefällen möglich.
- Schaffung eines eigenen Befristungstatbestandes (§ 6 WissZeitVG) für wissenschaftliche und künstlerische Hilfstätigkeiten während eines Bachelor- oder Masterstudienganges mit einer Befristungshöchstdauer von sechs Jahren. Befristete studentische Beschäftigungen werden auf die Maximalbefristungsdauer in der Qualifizierungsphase (§ 2 Abs. 1 WissZeitVG) nicht angerechnet.
- Streichung der bisherigen Befristungsmöglichkeit des § 2 Abs. 2 S. 2 WissZeitVG für nicht-wissenschaftliches Personal in Drittmittelprojekten. Die Streichung des Befristungstatbestandes erfolgte aus rechtssystematischen Gründen. Nicht-wissenschaftliches Personal kann auf der Rechtsgrundlage des § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBFG auch künftig befristet beschäftigt werden, wenn die Beschäftigung überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert wird, die Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt ist und der/die Beschäftigte überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wird.
- Klarstellung, dass der familienpolitische Vorteil des § 2 Abs. 1 S.4 WissZeitVG auch bei der Betreuung von Stief- und Pflegekindern zum Tragen kommt, sowie Verlängerung der Maximalbefristungsdauer bei Vorliegen einer Behinderung oder einer schweren chronischen Erkrankung.
- Klarstellung, dass Unterbrechungen der wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung, die nach § 2 Abs. 5 einen Arbeitsvertrag verlängern können, sich auch im Fall des Arbeitsplatzwechsels nach der Unterbrechungszeit nicht nachteilig auf den Befristungsrahmen des § 2 Abs. 1 auswirken.
III. Grundsätze der staatlichen bayerischen Hochschulen zum Umgang mit Befristungen nach dem WissZeitVG
In Bayern wird die Novelle des WissZeitVG durch die Grundsätze der staatlichen bayerischen Hochschulen zum Umgang mit Befristungen nach dem WissZeitVG („Grundsätze“) flankiert.
Die bayerischen Hochschulen fördern im Rahmen ihrer Möglichkeiten den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs sehr erfolgreich. Sie sind sich dabei ihrer großen Verantwortung insbesondere in der sensiblen Qualifizierungsphase bewusst: Sie müssen den jungen Nachwuchskräften einerseits ausreichend Zeit und die Sicherheit geben, die für eine wissenschaftliche oder künstlerische Karriere erforderlich sind. Andererseits müssen sie dafür sorgen, dass die begrenzt verfügbaren Qualifikationsstellen in angemessenem Rhythmus wieder frei werden und für die nächste Generation zur Verfügung stehen. In diesem Spannungsfeld legen die Grundsätze landesweit anzuwendende einheitliche und verlässliche Mindeststandards für den Umgang mit den arbeitsrechtlichen Sonderbefristungsregelungen nach dem WissZeitVG fest.
IV. Leitlinien bayerischer Wissenschaftseinrichtungen zur Qualifizierung des Wissenschaftlichen Nachwuchses
Mit der Novellierung des WissZeitVG vom März 2016 hat der Bundesgesetzgeber klargestellt, dass der Abschluss von Zeitverträgen mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs auf der Rechtsgrundlage des § 2 Abs. 1 WissZeitVG zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung der Beschäftigten erfolgt. Die Vertragsdauer ist daher - innerhalb des vorgegebenen Rahmens von sechs Jahren vor und sechs Jahren (bzw. im Bereich der Medizin neun Jahren) nach der Promotion - so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Die Festlegung von Qualifizierungszielen und deren üblicher Dauer ist nach Auffassung des Gesetzgebers „ureigene Aufgabe der Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen". Die bayerischen Hochschulen nehmen diesen Auftrag des Bundesgesetzgebers ernst. Während die Universitäten aufgrund der Heterogenität und Bandbreite des universitären Fächerspektrums jeweils hochschulintern für ihre Fachbereiche Qualifizierungsziele definiert haben, haben die Universitätsklinika, die Fachhochschulen und die Kunsthochschulen im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst Leitlinien für die Qualifizierung ihrer wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter formuliert. Die Leitlinien enthalten jeweils einen hochschulart- bzw. klinikspezifischen Katalog von Qualifizierungszielen, die innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Zeitrahmens von sechs Jahren vor der Promotion bzw. sechs Jahren (bzw. im Bereich der Medizin neun Jahren) nach der Promotion Gegenstand eines befristeten Beschäftigungsvertrages nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG sein können.
- Grundsätze der staatlichen bayerischen Hochschulen pdf, 34 KB
- Pressemitteilung vom 19. März 2015 pdf, 27 KB
- Pressemitteilung vom 21. Juli 2017 pdf, 169 KB
- Leitlinien der bayerischen Kunsthochschulen pdf, 8 KB
- Leitlinien der Hochschulen für angewandte Wissenschaften pdf, 758 KB
- Leitlinien der bayerischen Universitätsklinika pdf, 62 KB
V. Häufig gestellte Fragen zum WissZeitVG
Muss das Qualifizierungsziel bei Befristungen nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG künftig im Arbeitsvertrag genannt werden?
Im Arbeitsvertrag ist nach wie vor die Rechtsgrundlage der Befristung zu zitieren. Die Bezeichnung des Qualifizierungsziels im Arbeitsvertrag ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 WissZeitVG nicht zwingend aber sinnvoll.
Welche Anforderungen sind an die Definition des wissenschaftlichen Qualifizierungsziels zu stellen?
Die wissenschaftliche Qualifizierung ist nicht auf die formalen Qualifizierungsziele der Promotion oder Habilitation beschränkt. Vielmehr kann jeder wissenschaftliche Kompetenzerwerb, der im Rahmen einer wissenschaftlichen Karriere sinnvoll erscheint, eine solche Qualifizierung darstellen. Die konkrete Ausgestaltung von Qualifizierungszielen obliegt den Hochschulen.
Steht die Erstbefristung von einem Jahr nach Ziffer 1.2 der Grundsätze im Widerspruch zu § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 WissZeitVG?
Ziffer 1.2 der Grundsätze ist nur für solche Fälle gedacht, in denen ein längerfristiges Qualifizierungsziel (z.B. Promotion, Habilitation) noch nicht feststeht, sondern beispielsweise eine Art Orientierungsphase (z.B. Festlegung auf ein Promotions-/Habilitationsthema) erforderlich ist. In allen anderen Fällen, in denen ein konkretes Qualifizierungsziel mit einer konkret zu erwartenden Qualifizierungsdauer feststeht, muss die Befristungsdauer grundsätzlich der angestrebten Qualifizierung angemessen sein, vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG.
Können Befristungen zur eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung gem. § 2 Abs. 1 WissZeitVG aus Drittmitteln finanziert werden?
Ja. Hier ist allerdings zu bedenken, dass die Dauer der Befristung gem. § 2 Abs. 1 S. 3 WissZeitVG dem Qualifizierungsziel angemessen sein muss.
Wie wirken sich Mutterschutz, Elternzeit und Kinderbetreuung auf befristete Beschäftigungsverhältnisse nach WissZeitVG aus?
Bei der Beantwortung dieser Frage ist zwischen Befristungen in der Qualifizierungsphase (§ 2 Abs. 1 WissZeitVG) und Befristungen im Rahmen von Drittmittelprojekten (§ 2 Abs. 2 WissZeitVG) zu unterscheiden. Bei Befristungen in der Qualifizierungsphase (§ 2 Abs. 1 WissZeitVG) gelten folgende Regelungen:
Bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren verlängert sich die insgesamt zulässige Befristungsdauer nach § 2 Abs. 1 S. 1 und 2 WissZeitVG um zwei Jahre je Kind. Diese Verlängerung der Befristungshöchstdauer ist unabhängig davon, ob der Mitarbeiter Elternzeit in Anspruch nimmt oder seine Arbeitszeit reduziert. Wer Kinder unter 18 Jahren betreut, hat kraft Gesetzes pro Kind zwei Jahre länger Zeit für die eigene Qualifizierung.
Im Einverständnis mit der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter verlängert sich die Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages um Zeiten einer Inanspruchnahme von Elternzeit und Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach §§ 3, 4 6 und 8 des Mutterschutzgesetzes in dem Umfang, in dem eine Erwerbstätigkeit nicht erfolgt ist. Die Verlängerung setzt voraus, dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter tatsächlich einen Erwerbsausfall aus den genannten Gründen hatte und bedarf der Erklärung des Einvernehmens der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters vor Vertragsende. Sie wird nicht auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer angerechnet.
Im Einverständnis mit der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter verlängert sich die Dauer eines befristeten Arbeitsvertrages um Zeiten einer Beurlaubung oder einer Ermäßigung der Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit (familienpolitische Teilzeit), die für die Betreuung oder Pflege eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren gewährt worden sind. Auch diese Verlängerung setzt voraus, dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter tatsächlich einen Erwerbsausfall aus den genannten Gründen hatte und bedarf der Erklärung des Einvernehmens der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters vor Vertragsende. Sie wird nicht auf die nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG zulässige Befristungsdauer angerechnet und soll die Dauer von zwei Jahren nicht überschreiten.
Bei Befristungen im Rahmen von Drittmittelprojekten (§ 2 Abs. 2 WissZeitVG) sieht das Gesetz keine entsprechenden Verlängerungsregelungen vor. Falls jedoch der Drittmittelgeber entsprechende Personalmittel zur Verfügung stellt, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer weiteren befristeten Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG, da eine Befristungshöchstdauer für Projektbefristungen nicht vorgesehen ist.