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Prof. Dr. med. Marion Kiechle
Bayerische Staatsministerin für
Wissenschaft und Kunst
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
seit Menschen denken, schaffen sie Kunst, machen sie
Musik, tanzen sie, dichten und erzählen sie. Klar ist: Kunst
ist ein kreativer Prozess, den Menschen mit besonderer Meis-
terschaft vollziehen. Warum und mit welchem Ziel sie das tun,
ist eine Frage, die immer wieder neu gestellt wird. Eine mög-
liche Antwort könnte ein signifikanter Zusammenhang von
Kunst und Gesundheit sein. Dass dazu auch wissenschaftlich
geforscht wird, interessiert mich als Ministerin für Wissen-
schaft und Kunst – und als Medizinerin – natürlich beson-
ders. Das Festival der bayerischen Städte, »kunst&gesund«,
will diesen Zusammenhang verstärkt in die kulturpolitische
Diskussion einbringen. aviso stellt dafür ein Forum bereit. Die
hier versammelten Beiträge zum Thema wollen Impulse set-
zen, um den gesellschaftlichen Stellenwert von Kunst zu stär-
ken: Kreatives Tun kann krank machende Prozesse verhindern,
kann helfen, den Herausforderungen des Lebens zu begegnen,
sogar heilend wirken – das erfahren Kunst- und Musikthera-
peuten tagtäglich bei ihrer Arbeit. Die Begegnung mit Kunst
stärkt Untersuchungen zufolge eine lebensbejahende Grund-
haltung, das Immunsystem, die Resilienz. Zu regelmäßigem
Kunstgenuss kann also nur geraten werden, wie der Titel emp-
fiehlt: Kunst =Medizin! Die bayerischen Museen, Konzertsäle,
Theater, Bibliotheken, Literaturhäuser und alle anderen Kultur
einrichtungen erfüllen also auch einen Public Health Auftrag.
Neurobiologisch gesehen trifft ästhetisches Erleben auf das un-
ersättliche Bedürfnis des menschlichen Gehirns nach Neuem.
Einer evolutionsbiologischen These zufolge stellt Kunst einen
Selektionsvorteil dar. All diese Diskussionen gilt es aufmerk-
sam zu verfolgen. Fest steht: Kunst fordert uns heraus, darf
irritieren, provozieren, Ordnung stören – sie holt uns aus dem
Gewohnten heraus und regt uns dazu an, die Welt im »als ob«
der Kunst immer neu zu entwerfen.
aviso 2 | 2018
KUNST = MEDIZIN
EDITORIAL
Spielräume für die Phantasie! | Daniel J. Schreiber | Seite 34
Bringen Sie Ihr Gehirn öfter mal ins Museum | Rita de Muynck | Seite 28