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aviso 2 | 2018
KUNST = MEDIZIN
COLLOQUIUM
Zur Bedeutung der
heilkundlichen Aspekte im
Werk von Joseph Beuys
»Ich würde
sagen:
was ich
praktiziere,
ist ohne
weiteres
auf die
Welt der
Medizin zu
übertragen.«
Der Sammler und Historiker Axel Hinrich Murken im
Gespräch mit Birgit Löffler, Direktorin des Museums
DASMAXIMUM
Birgit Löffler (BL):
Wir verdanken Ihnen, Herr Dr. Murken,
zahlreiche fundierte Publikationen zur Kunstgeschichte und
Standardwerke zur Medizin- und Krankenhausgeschichte wie
das Lehrbuch der Medizinischen Terminologie. Als Profes-
sor und langjähriger Direktor des Institutes für Geschichte
der Medizin und des Krankenhauswesens am Universitäts-
klinikum Aachen waren Sie auch Herausgeber der Reihen
Studien zur Geschichte des Krankenhauswesens und Studien
zur Medizin-, Kunst-, und Literaturgeschichte.
Als Kunstfreund, Sammler und Verleger haben Sie sich be-
reits seit Anfang der 70er Jahre besonders intensiv mit dem
Werk von Joseph Beuys auseinandergesetzt. Als Mediziner
haben Sie vermutlich einen durchaus kritischen Blick auf
einen Anspruch an »Heilung« bzw. Kunst als Therapie. Was
fasziniert Sie an der künstlerischen Herangehensweise von
Joseph Beuys, der behauptete:
»Ich würde sagen: was ich
praktiziere, ist ohne weiteres auf die Welt der Medizin zu
übertragen.«
(Joseph Beuys, 1972)?
Axel Hinrich Murken (AHM):
Joseph Beuys’ gesamtes künst-
lerisches Denken und Handeln war darauf ausgerichtet, den
Menschen durch die Kunst »freier« und »bewusster« zu
machen. Das bedeutet, ihm zu eigener Selbstbestimmung zu
verhelfen und seine Selbstheilungskräfte zu fördern. Dieses
Ziel hat er prägnant umrissen:
»Die Kunst ist nach meiner
Meinung die einzige evolutionäre Kraft. Das heißt, nur aus
der Kreativität des Menschen heraus können sich die Ver-
hältnisse ändern. Und ich glaube, viele Menschen spüren,
dass das Menschliche, also dieser menschliche Punkt, in der
Kunst am meisten weiterentwickelt werden kann«
(Joseph
Beuys, 1972).
Wie keinem anderen Künstler vor ihm ist es Joseph Beuys
gelungen, außer mythologischen und religiösen Überlie-
ferungen die Traditionen und Verfahren der Heilkunde in
seine Ideenwelt und künstlerischen Aktivitäten mit einzu-
beziehen. Dieser vielseitige Künstler vermochte es neben sei-
nem reichen zeichnerischenWerk nicht nur mit organischen
Stoffen wie Fett, Filz, Wachs, Honig und verschiedenen Heil-
kräutern, sondern auch mit mineralischen Elementen wie
Kupfer, Silber und Zink in seinen Aktionen und Objekten
der modernen Welt der Kunst ein ganz neues Gepräge und
Dimension zu geben.
Dabei lassen sich zugleich vielfache Aussagen und Hinweise
direkt auf die Historie und Gegenwart der Heilkunde in sei-
nem künstlerischenWerk finden: traditionsreiche Heilpflan-
zen wie Baldrian, Beinwell, Huflattich, Kamille, Keusch-
lamm, Lavendel oder Liebstöckel. Gleichfalls integrierte er
Tabletten, Tupfer, Verbandsstreifen, Wundpflaster, Reagenz-
aviso-Gespräch