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Diese Fragen wurden im Vorfeld der Veranstaltungsreihe »Siblers
DenkRäume« von interessierten Bürgerinnen und Bürgern einge-
reicht. Staatsminister Sibler hat diese Fragen an zwei Experten von
der TH Deggendorf weitergereicht, die Antworten gegeben
haben. Prof. Dr. rer. nat. Dr. rer. pol. Heribert Popp (HP) wirkt seit
1997 als Professor für Mathematik, Wirtschaftsinformatik,
Wissensmanagement und Künstlicher Intelligenz an der TH Deg-
gendorf. Prof. Dr. Robert Hable (RH) lehrt dort im Fachbereich
Maschinelles Lernen/Künstliche Intelligenz. Fragen zu KI für die
nächsten Runden der „DenkRäume“ (s. Avisiert S. 46 f.) können
vorab an
denkraum@stmwk.bayern.deeingesandt werden.
Was uns umtreibt, wenn
wir an KI denken
Bürgerinnen und Bürger stellen in »Siblers DenkRäumen« Fragen
Die Experten Heribert Popp und Robert Hable antworten
Wo gibt es in meinem Alltag überall schon KI? Ist schon
in jedem Computer KI?
Spracherkennungsysteme befinden sich im Smart-
phone, Navi, Rasenmähroboter usw. KI ist überall.
Woran merke ich, dass ich es nicht mit einem Menschen,
sondern mit einem Programm zu tun habe, z. B. im Chat?
KI kann in der Leistung heute schon oft nicht mehr von
menschlicher Leistung unterschieden werden, aber
beide verwenden zum Problemlösen andere Techni-
ken. Der Turing Test ist bislang meist ausreichend für
eine Identifizierung. Bei einer Anwendung des Tests
amGymnasium in Regensburg wurden auf eine Frage
mit vier Antworten zwei Antworten von Computern
und zwei von Menschen gegeben. Die Schülerinnen
und Schüler konnten zweifelsfrei die »Menschhaftig-
keit« der Antworten zuordnen.
Kann KI denn ab einem gewissen Grad auch Emotionen
wie Mitgefühl oder Liebe entwickeln? Wird sie uns also
immer ähnlicher? Und damit auch immer weniger »er-
kennbar«? Wenn ich mir so einen Roboter vorstelle, der
mich freundlich anlächelt…
KI kann nur lernen, menschliche Gefühle vorzutäu-
schen.Wir sollten nicht der Gefahr erliegen, KI-Syste-
me oderMaschinen allgemein zu »vermenschlichen«,
ihnen originär menschliche Eigenschaften zuzuschrei-
ben. Maschinen sind nützliche Werkzeuge des Men-
schen, es liegt an uns, wie wir sie nutzen.
Wozu brauchen wir künstliche Intelligenz und wo brau-
chen wir sie gar nicht?
Wir können KI überall, in jeder Lebenslage, gut brau-
chen. KI kann entlasten durch die Automatisierung
von ermüdenden oder langweiligen Tätigkeiten: Die
Bandbreite der Anwendungen ist groß – beimKochen,
Putzen, in Smart Homes, beim autonomen Fahren,
im Service und in der Pflege. Inzwischen gibt es hu-
manoide Roboter, die sehr menschenähnlich sind.
Wenn Pflegeroboter dem Menschen schwere Hebe-
oder Pflegedatenauswertungsfähigkeiten abnehmen,
bleibt auchmehr Zeit für diemenschliche Zuwendung!
KI kommt überall auf derWelt zumEinsatz undwird auch
in vielen Ländern erforscht und vorangetrieben, v. a. in
China und den USA. Wo stehen wir da in Europa und in
Deutschland?
Wir in Bayern geben 2 Mrd. für die Entwicklung von
KI aus, China 50Mrd. Deutschlandmuss sich auf euro-
päischer Ebene vernetzen. Wir brauchen in Europa
starke Partner. Wir müssen konstruktiv selbst gestal-
ten und selbstbewusster auftreten, Richtlinien selbst
aufstellen und dann auch etwas entwickeln. ImAufbau
einer sozialen KI in Europa (im Gegensatz zu China
und USA) sehe ich große Chancen.
In welchen Bereichen wäre KI Ihrer Meinung nach von
größtem Nutzen für die Menschen und ist es realistisch,
dass sie sich dann auch so einsetzen lässt oder was muss
sich dann noch alles verändern?
Mich begeistert an der KI, dass vieles im Leben einfa-
cher, besser und effizienter, ja auch ökologischer wird.
Ein von mir entwickeltes KI-System warnt nach der
Hälfte des Semesters die Studierenden, die gefährdet
sind, in der Klausur durchzufallen. Seit ich das KI-Sys-
tem einsetze, ist die Klausurdurchfallquote auf die
Hälfte reduziert worden.
Wie bringtman der KI einWertesystembei?Wie lässt sich
verhindern, dass KI demMenschen schadet?
Maschinelles Lernen kann erst mal alles lernen. Das
Microsoft Chatbot Tay war nach vier Stunden Inter-
aktion mit Twitternutzern sexistisch und rassistisch.
Maschinen handeln nicht moralisch, das können nur
Menschen. Maschinen führen aber Regeln aus, die
vonMenschen vorgegeben werden. Es gilt, in Zukunft
nicht nur ein reines maschinelles Lernsystem zu ent-
wickeln, sondern ein Hybridsystem, das mit Regeln
darauf achtet, was es lernt. Über diese Regeln müssen
wir uns verständigen. Werte sind kulturabhängig. Das
ist nichts Neues, das tun wir, seit es Maschinen gibt.
Schaffen wir mit KI und dem Internet der Dinge nicht
immer mehr Stromfresser? Gibt es keine »natürlichen«
Alternativen?
Natürlich verbraucht KI Strom, aber: Auch natürliche
Intelligenz braucht Energie. Es ist die Frage, wofür
man die Energie einsetzt. Eine typische KI-Anwen-
dung hat das Ziel, die Dinge effizienter zumachen, da-
mit z. B. an anderer Stelle Energie eingespart werden
kann. KI (und Industrie 4.0) können helfen, Stromund
andere Ressourcen zu sparen, weil industrielle Prozes-
se, Verkehrsströme oder Energiebedarfe besser pro-
gnostiziert und effizienter gestaltet werden können.
Was uns umtreibt, wenn wir an KI denken
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