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Geschriebenes
Mein Freund Konrad ist beseelt von einemgeradezu anstecken-
den Zukunftsoptimismus. Er ist ein glühender Verehrer von
allem, was mechanisch und automatisch ist. Konrad hat drei
Putzroboter: Einen zum Boden putzen, einen zum Fenster rei-
nigen, einen zum Rasen mähen. Ich habe gefragt: »Rasen mä-
hen? Du wohnst im 11. Stock?« Hat er gemeint, kein Problem,
er lasse ihn einmal täglich im Stadtpark raus.
Oder nehmen Sie Sprachassistenten! Konrad hat drei davon. Al-
les Frauenstimmen. SeineWohnung wirkt mittlerweile eher wie
ein digitaler Harem. »Siri, weckmich um6:30Uhr!« »Cortana,
bestell mir eine Glühbirne!« »Alexa, wann wurde Rainer Fried-
richWeber geboren?«Da war ich etwas verärgert: »Konrad! Du
kannst auchmich fragen, wann Rainer FriedrichWeber geboren
wurde?« »Warum?« »Er ist mein Vater!«
Konrad nennt dieses Konzept »Smart Home«. Bei ihm imHaus-
halt ist alles intelligent. Die Spülmaschine wählt das Programm
passend nach Grad der Verschmutzung. Die Waschmaschine
springt an, wenn der Strompreis billig ist. Wenn er fragt: »Ale-
xa, was soll ich heute Abend kochen?«, gibt Alexa das an den
Kühlschrank weiter, der prüft den Füllungszustand, leitet die-
se Informationen an den Herd, der wiederum sucht im Netz
passende Rezepte und bestellt fehlende Zutaten imNetz. Aber
natürlich erst, wenn das Rezept nach Rücksprache mit dem
Bad von der Waage genehmigt wurde. Letzteres war übrigens
ein Witz.
Was keinWitz ist: Sogar seine Toilette ist intelligent. Sein Abort
nimmt ihm auf Wunsch den Blutdruck ab, misst sein Gewicht
und bestimmt sogar seine Urinwerte. Und ich Ignorant lese
auf demKlo noch Zeitung. Gesundheitsbewusste Zeitgenossen
dagegen kriegen ihren Diätplan direkt auf Toilettenpapier ge-
druckt. Conrad sagt, gerade die Medizin ist ein tolles Beispiel,
wie nützlich künstliche Intelligenz sein kann. KIs können Krebs
anhand von CT-Bildern heute schon viel genauer erkennen als
jeder Arzt. Das finde ich super, wenn die Digitalisierung zu
besserenDiagnosen führt und die Behandlung schneller macht.
Warumnicht? Gerade auf demLand ist das Gesundheitssystem
durch den akutenÄrztemangel völlig überfordert. MeinOpa hat
kürzlich einen Termin bei seinemHausarzt ausgemacht. Da hab
ich gefragt: »Was fehlt dir denn?« Hat er gesagt: »Nix. Aber bis
ich dran komme, hab ich sicher was!«
Konrad ist aber auch der festen Überzeugung, dass KIs in Zu-
kunft sogar juristische oder politische Aufgaben übernehmen
werden. Es wird offensichtlich heute schon an Algorithmen ge-
arbeitet, die dabei helfen, moralische Entscheidungen zu tref-
fen. Ein interessantes Beispiel ist hier das autonome Autofahren.
Angenommen die Bremsen versagen, dannmuss das autonome
Auto dochwissen:Was mache ich jetzt? Fahre ichweiter gerade-
aus in das Kind oder weiche ich aus und brettere rechts in die
Rentnerin? Gut, das Kind hat vielleicht noch 70 Jahre Lebens-
zeit vor sich. Die Omi vielleicht noch 10 Jahre. Alles klar, also
rechts. Aber was ist, wenn rechts nicht eine Rentnerin steht,
sondern acht Rentnerinnen? Das wären zusammen 80 Jahre.
Unter utilitaristischen Gesichtspunkten müsste das Auto dann
doch wieder auf der Spur bleiben. Doch gesetzt den Fall, ge-
radeaus steht kein Kind, sondern eine schwangere Frau? Das
sind zwei Leben. Dann haben natürlich die Omis rechts wieder
Pech gehabt. Außer sie trommeln noch schnell die Fischerchöre
zusammen. Aber angenommen, da stehen rechts keine Omis,
sondern da steht eine zweite schwangere Frau. Wäre es nicht
ethisch korrekt, wenn das Auto einfach links gegen die Mauer
knallt?Dannwäre schließlich nur der Fahrer tot. Moralischwäre
das sauber gelöst. Aber seienwir ehrlich:Wer kauft sich denn ein
Auto, das sich im Notfall so illoyal gegenüber seinem Besitzer
verhält? Und möglicherweise steht geradeaus kein Kind, keine
Rentnerin, keine schwangere Frau, sondern Donald Trump!
Sollte es da nicht draufhalten, auch wenn die Bremsen voll-
kommen intakt sind?
Waldo sagt, KIs sind zu gerechteren Entscheidungen fähig, weil
sie sich an objektive Kriterien halten. Das glaube ich nicht. Algo-
rithmen werden schließlich von Menschen erstellt. Wie würde
ein Taliban ein autonomes Auto programmieren? Explodiert
da bei jedem ungläubigen Passanten automatisch der Motor-
block? In der Informatik nennt man dieses Prinzip: »Garbage in,
garbage out«. Das ist vielleicht die größte Gefahr im heraufzie-
henden digitalenMorgenrot. KIs imitieren nicht nur wunderbar
menschliche Intelligenz, sie reproduzieren auch sehr effektiv
menschliche Dummheit.
Philipp Weber, geboren 1974 in Miltenberg, Unterfranken, ist Kabaret-
tist und Autor. Er studierte zunächst Germanistik, Psychologie, Ge-
schichte und Medizin an der Universität Tübingen. Schließlich gab
er aber dem Drängen seines Studienberaters nach und wechselte zu
den Disziplinen Biologie und Chemie. Beide Fächer konnte er erfolg-
reich abschließen. Sein aktuelles Programm heißt:
KI- Künstliche
Idioten!
Mehr unter:
weberphilipp.deAuto-Autonome!
Künstliche Intelligenz
oder menschliche Idiotie?
Philipp Weber