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Text:
Verena Nolte
AM ANFANG STEHT
die Suche nach einem Namen, einem Begriff, für das, was
man vorhat. Was schwebte uns vor? Wir wollten nicht ein weiteres Festival wie
vom Himmel auf ukrainische Erde fallen lassen. Etwas sollte gemeinsam entste-
hen, auf das wir auf beiden Seiten auch in Zukunft zurückgreifen könnten.
Wir hatten aus sicherer Entfernung den Ukrainern beimMaidan zugesehen, waren
entsetzt über die Toten, über die die Machthaber schließlich stürzten. Ein Auf-
ruhr der societas civilis. Doch es folgte der Krieg im Donbass und die Annexion
der Halbinsel Krim durch Russland. Mails gingen hin und her zwischen uns und
denen, die wir in der Ukraine kannten. Schriftsteller und Schriftstellerinnen. Alle
sind sie auf demMaidan gewesen. Man sah sie dann auch auf unseren Podien, las
sie in eiligst zusammengestellten Anthologien engagierter Herausgeber und Ver-
lage. Was wir hörten und lasen, jagte uns den Schrecken des Krieges ein. Unsere
Passivität auf dem Zuschauerposten wurde uns dramatisch bewusst. Dazu das
bizarre Gerede in unserer Umgebung, basierend auf Unkenntnis. Die Sprüche
einiger Intellektuellen hierzulande, die die Wende verpasst hatten, eine Trägheit,
die Veränderung wahrzunehmen und zu akzeptieren.
WIR ALSO, DIE
wir nichts anderes können als Literatur und Kunst, wie sollten
wir handeln? Aus dieser Stimmung heraus, und nach einer Begegnung mit Juri
Andruchowytsch, einem der wichtigsten ukrainischen Schriftsteller während
eines Auftritts in Deutschland, entstand die Idee eines deutsch-ukrainischen
Schriftstellertreffens. Nicht bei uns, sondern in einer ukrainischen Stadt, konnten
wir doch durch unsere Anwesenheit zeigen, dass wir zum Sichtbarwerden dieses
weithin unbekannten Landes beitragen wollten. Die Treffen, die von Anfang an
als jährliche Fortsetzungen gedacht waren, sollten aber vor allem auch zu enge-
ren Verbindungen zwischen deutschsprachiger und ukrainischer Literatur füh-
aviso 2 | 2018
KUNST = MEDIZIN
RESULTATE
»Plöt z l ich werde es
eine zwei te Brücke geben ,
nicht aus Eisen ,
nicht aus Stein ,
nicht einmal aus Holz .
Nein , aus Papier, jawohl :
aus Zigaret tenpapier.«
(Manès Sperber, Die Wasserträger Gottes.
All das Vergangene)
EINE BRÜCKE AUS PAPIER
EIN FESTIVAL DER LITERATUR UND KUNST IN DER UKRAINE