Künstlerförderung Kunstförderpreise 2022 in der Sparte „Literatur“ für junge Autorinnen und Autoren: „Raffinesse und Reife“
„Ein starker Jahrgang junger bayerischer Autorinnen und Autoren“: Kunstminister Markus Blume hat Anfang September die Gewinnerinnen und Gewinner der Bayerischen Kunstförderpreise 2022 in der Sparte „Literatur“ bekanntgegeben.
Den Kunstförderpreis in der Sparte „Literatur“ erhalten in diesem Jahr Jeff Chi aus Nürnberg für seine Graphic Novel „Who´s the Scatman?“ (2022), Annika Domainko aus München für ihren Roman „Ungefähre Tage“ (2022), Krisha Kops aus München für seinen Roman „Das ewige Rauschen“ (2022), Slata Roschal aus München für ihren Roman „153 Formen des Nichtseins“ (2022) und Claudia Voit aus Poppenhausen für ihre Übersetzung der Essaysammlung „Gewissheiten“ (2021) und des Erzählbandes „Objekte des Begehrens“ (2022).
Kunstminister Markus Blume: „Einen starken Jahrgang junger bayerischer Autorinnen und Autoren präsentieren die Kunstförderpreise 2022 in der Sparte ‚Literatur‘: Die Werke der jungen Talente bestechen durch Raffinesse und Reife sowie individuell ausgeprägte erzählerische Fähigkeiten. Die Preisträgerinnen und Preisträger stellen einen bunten Querschnitt der facettenreichen jungen Literaturszene im Freistaat dar. Ich gratuliere ganz herzlich zur Auszeichnung.“
Bis zu 17 Bayerische Kunstförderpreise in vier Sparten
Jedes Jahr verleiht der Freistaat 17 Kunstförderpreise in den vier Sparten „Musik“, „Bildende Kunst“, „Darstellende Kunst (inkl. Tanz)“ sowie „Literatur“. Die ausgezeichneten Künstlerinnen und Künstler der verschiedenen Sparten werden von Fachjurys vorgeschlagen. Die Preisträgerinnen und Preisträger, die am Beginn ihres Schaffens stehen, zeichnen sich durch eine außergewöhnliche künstlerische Begabung aus und können hervorragende Leistungen vorweisen. Der Preis ist mit jeweils 6.000 Euro für Einzelpersonen bzw. mit jeweils 10.000 Euro für Ensembles dotiert. Die Verleihung der diesjährigen Bayerischen Kunstförderpreise findet am 14. November 2022 in der Hochschule für Musik und Theater München statt.
Die Preisträgerinnen und Preisträger der Bayerischen Kunstförderpreise 2022 in der Sparte „Literatur“
Jeff Chi
Jeff Chi, geboren 1993 in Kiel, wird für seine Graphic Novel „Who’s the Scatman?“ (2022, Zwerchfell-Verlag) mit einem halben Preis ausgezeichnet. Chi lebt und arbeitet seit bald zehn Jahren in Nürnberg. Hauptberuflich entwickelt er Internetseiten.
Mit seiner originellen Comic-Biografie über „Scatman“ John Larkin zeigt der junge Künstler eine der ungewöhnlichsten One-Hit-Wonder-Karrieren der 90er Jahre, sodass die Leserinnen und Leser ein eindrucksvolles Bild von dieser Künstlerpersönlichkeit entwickeln können.
Die Jury würdigt vor allem, dass der Autor die Informationen zu dieser Graphic Novel fast ausschließlich durch Interviews über mehrere Jahre hinweg selbst recherchiert habe. Auch handwerklich sei das Biopic äußerst gut gemacht, indem verschiedene Erzählstränge und unterschiedliche Zeitebenen virtuos ineinander gewoben würden. Dadurch werde das durchaus disparate biographische Material zu einem wunderschönen literarischen Projekt zusammengeführt. Es handle sich in vielerlei Hinsicht um ein beeindruckendes Buch, bei dem Form und Inhalt dynamisch miteinander korrespondierten und dessen Bildsprache die Leserinnen und Leser abhole.
Bildnachweis: © Chi
Annika Domainko
Annika Domainko, geboren 1988 im Saarland, wird für ihren Roman „Ungefähre Tage“ (2022, Verlag C. H. Beck) ausgezeichnet. Domainko studierte Archäologie und Latein in Heidelberg und Cambridge und schloss ihr Studium mit einer Dissertation ab. Heute lebt sie in München, arbeitet als Sachbuch-Lektorin beim Hanser-Verlag.
In ihrem Debütroman „Ungefähre Tage“ wählt die Schriftstellerin eine besonders risikoreiche Erzählweise aus der Sicht eines stark belasteten Pflegers, der auf einer geschlossenen Station der Psychiatrie arbeitet und sich in unangemessener Weise einer jungen Patienten nähert.
Dem kunstvoll und mitunter gelehrt erzählten Roman gelinge es, durch seine sensible Sprache eine komplexe Täterperspektive sichtbar zu machen, so die Jury. Bemerkenswert sei insbesondere die behutsame Darstellungsweise der Erzählung, die vieles absichtsvoll im Ungefähren lasse.
Bildnachweis: © privat
Krisha Kops
Krisha Kops, geboren 1986 in München, wird für seinen Roman „Das ewige Rauschen“ (2022, Arche Verlag Hamburg) mit einem halben Preis ausgezeichnet. Kops studierte an der London and Westminster University Philosophie und Journalismus und promovierte im Bereich interkulturelle Philosophie an der Universität Hildesheim. Er nahm an mehreren Autorenwerkstätten teil und wurde 2020 mit dem Haidhauser Werkstattpreis ausgezeichnet.
Sein autobiographisch inspiriertes Werk erzählt die Heimatsuche des Erzählers zwischen Indien und München. Die Jury würdigt besonders die herausragende Sprache des Romans mit ihrem großen Reichtum an Metaphern sowie dessen außergewöhnliche Konzeption mit mehreren metaphorischen Ebenen. Durch diese stimmige Montagetechnik gelinge eine eindrückliche Verwebung der deutschen und indischen Kultur. Ferner bringe Kops den Leserinnen und Lesern mittels der gelungenen Einbettung übersetzter Textfragmente aus dem Indischen die indische Literatur näher.
Bildnachweis: © Eva Vodermeier
Slata Roschal
Slata Roschal, geboren 1992 in St. Petersburg, wird für ihren Roman „153 Formen des Nichtseins“ (2022, Homunculus Verlag) ausgezeichnet. Slata Roschal lebt seit 1997 mit ihrer Familie in Deutschland. Sie studierte in Greifswald Slawistik, Germanistik und Komparatistik und promovierte an der LMU München. 2019 erschien ihr erster Lyrikband „Wir verzichten auf das gelobte Land“ im Verlag Reinecke und Voß. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie bereits mit Arbeits- und Aufenthaltsstipendien ausgezeichnet, so etwa mit dem Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern 2020.
Die Autorin behandelt in ihrem Debütroman verschiedene Themen wie Identität, Migration, Außenseitertum oder Weiblichkeit auf äußerst differenzierte Weise. Die Jury würdigt insbesondere ihre ungewöhnliche Erzählform. Slata Roschal entwerfe ein kaleidoskopartiges Bild, das in Form von Erinnerungsfetzen, E-Mails, Szenen, Dialogen, Listen, Notizen und Informationskästen eindrucksvoll die Zersplitterung von Identität und die damit einhergehenden unterschiedlichen Konfliktlinien aufzeige. Auf diese Weise öffnet die Autorin ihren Leserinnen und Lesern neue gedankliche Räume und verschafft ihnen ein außergewöhnliches Leseerlebnis.
Bildnachweis: © Ammy Berent
Claudia Voit
Claudia Voit, geboren 1991 in Schweinfurt, wird für ihr bisheriges übersetzerisches Werk ausgezeichnet. Claudia Voit habe in den drei Jahren seit Aufnahme ihrer Tätigkeit 2019 bereits ein eindrucksvolles Werkverzeichnis mit Titeln jüngerer britischer und amerikanischer Autorinnen und Autoren vorgelegt, so die Jury.
Voit verfüge über ein bemerkenswertes Gespür für den modernen, oft lakonisch-unterkühlten Sound ihrer Originale: Ihre deutschen Fassungen der Essaysammlung „Gewissheiten“ von Maria Tumarkin (2021) und des Erzählbands „Objekte des Begehrens“ von Clare Sestanovich (2022) bestächen durch eine sehr zeitgemäße, knappe und temporeiche Sprache, die allen idiomatischen Erfordernissen des Deutschen Genüge tue, gleichzeitig aber auch die Einflüsse des Englischen auf die Alltagssprache einer jüngeren Generation berücksichtige.
So werde sie sowohl der sprachwahrenden als auch der sprachwandelnden Rolle gerecht, die literarische Übersetzerinnen und Übersetzer im Idealfall erfüllen könnten. Sie zeige sich als empathische, kundige und fähige Vertreterin ihrer Sprachgeneration.
Bildnachweis: © Daggi Binder
Weitere Informationen
Stand: 7. September 2022 / Bildnachweise: Ammy Berent; Steffen Böttcher