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aviso 4 | 2016

GRÜSS GOTT JAPAN – KONNICHIWA

バイエルン

WORAUF ICH MICH FREUE

WORAUF ICH MICH FREUE

JAKUB HRU

°

ŠA

UM DIES ZU

beantworten, könnte es keinen besseren Moment in meinem Leben

geben. Ich stehe an einem Scheideweg meines Lebens – aber es ist mittlerweile

mehr als klar, welchen ich wählen sollte. Eigentlich habe ich ihn bereits gewählt –

und es ist der Weg, von dem ich lange geträumt habe. Ich gestehe, es ist ein

Geschenk, das mir gewissermaßen in den Schoß gefallen ist. Und ich glaube fest,

dass es nun meine Aufgabe ist, dieses Geschenk zu pflegen, wachsen und noch

schöner werden zu lassen. Ich spreche natürlich von den wunderbaren Bamber-

ger Symphonikern.

Es gibt Momente im Leben eines Dirigenten (und im Leben eines jeden, denke

ich), wo man das starke Gefühl hat, etwas Neues beginnen zu müssen. Es war

wundervoll, über viele Jahre hinweg als Chefdirigent Orchester in der Tschechi-

schen Republik zu leiten (zunächst in Zlín, dann in Prag) und als Gastdirigent

am Pult der berühmtesten Klangkörper rund um die Welt zu stehen, entweder

in regelmäßiger Folge wie in Glyndebourne, London, Paris, Cleveland sowie als

ständiger Gastdirigent in Tokio oder zu einzelnen Konzerten. Es ist zutiefst be-

friedigend, immer wieder diesen Orchestern und ihren hervorragenden Musi-

kern zu begegnen, in ihr musikalisches Können einzutauchen, sich bereichern zu

lassen von ihrer unterschiedlichen kulturellen Prägung und selbst das Beste zu

geben, um sie und das Publikum so glücklich wie möglich zu machen. Die meis­

ten von ihnen luden mich immer wieder ein, einige äußerten sogar den Wunsch,

mich zu ihrem Chefdirigenten zu ernennen. Ich fühlte mich jedes Mal geehrt.

Und doch habe ich abgewartet – und bescheiden darauf gehofft, dass »das Rich-

tige« kommen würde. Ich habe zu vielen Musikern auf der Welt eine sehr enge,

freundschaftliche Beziehung. Aber bis vor kurzem hatte ich nie das Gefühl, dass

es in jeder nur denkbaren Weise »klick« machte.

DANN KAM MEIN

Gastdirigat in Bamberg. Eine herrliche Stadt in einem Land,

für das ich großen Respekt empfinde, voller Kultur, wundervoller Architekt

ur

aus vielen Epochen, mit einer intelligenten Jugend und klugen, aufgeschlossen

en

älteren Menschen, umgeben von schö-

ner Natur, mit einer außergewöhnlichen

kulturellen Geschichte (die sich in Sphä-

ren bewegt, denen ich mich unendlich

verbunden fühle) – und inmitten all

dessen eine Institution voller Harmo-

nie in einem Top-Konzertsaal mit der

höchsten nur denkbaren musikalischen

Meisterschaft, Disziplin, Aufgeschlos-

senheit, Hingabe an ein treues Publi-

kum und einem erstklassigen, starken

Management. Eine Stadt, die nur drei

Autostunden von meinem Zuhause in

Prag entfernt ist und die einen dazu in-

spiriert und herausfordert, nicht weni-

ger als Exzellentes zu leisten.

Auf meinen regelmäßigen Reisen buch-

stäblich überallhin, wo »die Musik

spielt«, habe ich viele unterschiedliche

Kulturen kennengelernt. Ich gestehe,

dass ich einfältigen Nationalismus nicht

mag. Ich sehne mich nach mehr, trotz

des Stolzes, den ich für das empfinde,

was mein Land erreicht hat. Nun, die-

ses »mehr« – hier habe ich es gefunden.

Ganz plötzlich fühle ich mich zutiefst zu

Hause in einem anderen Land und ich

merke, dass es eine Kulturgemeinschaft

auch in weiterem Sinne gibt, eine euro-

päische oder vielleicht, genauer ausge-

drückt, eine mitteleuropäische. Meine

wahre Heimat hat sich auf wundervolle

Weise erweitert und umfasst heute mehr

als zuvor, ohne ihre Herkunft zu verlie-

ren. Fest verwurzelt kann sie noch weiter

und größer werden. Dies hoffe ich zu-

mindest. Vielleicht schwimme ich damit

gegen den Strom von Auflösungsten-

denzen, die wir heutzutage überall be-

obachten können. Aber ich fühle, dass

dies der einzig richtige Weg ist, egal wie

hart er sein mag.

ICH FREUE MICH

darauf, mit meinen

neuen Partnern in Bamberg Tage, Mo-

nate und Jahre zu verbringen, mit der

Liebe zu unserem Publikum dort und

in aller Welt.

Jakub Hru

°

ša

ist Chefdirigent der Bam-

berger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie seit September 2016. www.bamberger-symphoniker.de

© Andreas Herzau