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aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE
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FRISCHER FISCH AUS DER JURAZEIT
VERBORGENE SCHÄTZE GELANGEN NACH 150 MILLIONEN JAHREN ANS LICHT
Text:
Martina Kölbl-Ebert
SEIT RUND 200 JAHREN
sind die Bayerischen Plattenkalke weltberühmt für
ihre fossilenWirbeltierfunde. Kaum zu glauben, dass auch nach so langer Zeit des
Steinabbaus und der Forschung noch immer Neues zu entdecken ist. Doch genau
das erlebenMitarbeiter und Ehrenamtliche des Jura-Museums Eichstätt auf ihrer
aktuellen Forschungsgrabung im Plattenkalksteinbruch von Ettling: Zahlreiche
bisher unbekannte Fisch-Arten konnten geborgen werden.
Der Solnhofener Archipel
Die Plattenkalke von Ettling gehören zum Solnhofener Archipel, einem rund 150
Millionen Jahre alten tropisch warmen Flachmeer, das von verstreuten Inseln,
Schwamm- und Korallenriffen, Sandbarren und tieferen Becken geprägt war. In
den Becken lagerten sich die Solnhofener Plattenkalke ab, die durch ihre Wirbel-
tierfossilien, darunter der Urvogel Archaeopteryx, weltberühmt sind. Die For-
schungsgrabung Ettling erschließt eines dieser Plattenkalkbecken. Ungewöhn­
licherweise sind über 95% aller dort gefundenen Fossilien Fische.
FUNDE GRÖSSERER FISCHE
sind aber auch in Ettling selten und nur unter enor-
mem Zeitaufwand zu machen. Der Stein ist weich und mürbe. Da er von zahlrei-
chen Klüften durchzogen ist, ist die Bergung der Fossilien meist nur als Ansamm-
lung von Bruchstücken möglich. Entsprechend hoch ist der Präparationsaufwand.
Dennoch lohnt er sich aus wissenschaft-
lichen Gründen: Zum einen ist die
Erhaltung der Fische außerordentlich
gut. In ihremDetailreichtum übertrifft
sie noch bei weitem die Funde aus der
Region Eichstätt/Solnhofen. Zum ande-
ren besitzt Ettling eine weitgehend ein-
zigartige Fischfauna mit zahlreichen, bis-
her unbekannten Arten. Darunter sind
viele Vertreter der modernen Strahlen-
flosser, die in der Zeit des Oberen Jura
begannen, ihre heutige Vielfalt zu ent-
wickeln. Daher erwarten sich Fisch­
spezialisten neue Erkenntnisse über die
frühe Evolution dieser heute dominan-
ten Fischgruppe. Die besondere Detail-
liertheit der Fossilerhaltung ermöglicht
die Untersuchung von biomechanischen
und paläobiologischen Fragestellungen.
Für all diese Forschungsarbeiten ist
Ettling ein einzigartiges Fenster in die
Erdgeschichte.
Fische vom Feinsten
Solange sie nicht in Klüften lagen oder
dem Frost ausgesetzt waren, ist das Kno-
chenmaterial der Fische bis in kleinste
Einzelheiten erhalten. Bemerkenswert
ist die Farberhaltung, die bei einigen
Exemplaren auftritt. Besonders häufig ist
dieses Phänomen bei Fischen der Gat-
tung Thrissops, die mit dunklen Tupfen
bedeckt sind.
FACHGERECHT GEBORGEN
und prä-
pariert, enthüllen die Tiere eine Fülle
interessanter Details, die Aufschluss
über ihre Lebensweise geben. Magen-
inhalte etwa berichten von Räuber/
Beute-Beziehungen. Bei manchen Tieren
sind nicht nur Magen oder Darm, son-
dern auch weitere innere Organe wie die
Schwimmblase erkennbar.
Wiege der modernen Strahlenflosser
Die Ettlinger Fische repräsentieren die
volle Bandbreite jurazeitlicher Strah-
lenflosser. Von diesen Knochenfischen
oben
Pflasterzahnfisch Turbomesodon relegans.
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