aviso - Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern - page 10

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aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
COLLOQUIUM
m Washingtoner Übereinkommen zur Rückgabe NS-
verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts haben sich
Bund, Länder und die kommunalen Spitzenverbände dazu
verpflichtet, NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut in
ihren Beständen zu identifizieren und den ursprünglich Be-
rechtigten zu restituieren bzw. mit ihnen gemeinsam eine faire
und gerechte Lösung zu finden. Diese Verpflichtung nimmt
der Freistaat Bayern sehr ernst. Entsprechend sind die gro-
ßen staatlichen Museen und Sammlungen bereits seit meh-
reren Jahren damit befasst, ihre Bestände zu recherchieren.
Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die als einziges
deutsches Museum an der Washingtoner Konferenz teilge-
nommen haben, haben bereits 2008 ein eigenes Referat für
Provenienzforschung eingerichtet. Seit 2014 verfügt auch
das Bayerische Nationalmuseum über ein eigenes Referat für
Provenienzforschung. Auch die großen kommunalenMuseen
der Städte München, Augsburg und Nürnberg widmen sich
seit geraumer Zeit der Provenienzrecherche. Viele Objekte
wurden bereits restituiert bzw. in der Datenbank »Lostart«
im Internet als Verdachtsfälle veröffentlicht.
Ungeachtet dieser Erfolge besteht nach wie vor erheblicher
Handlungsbedarf. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben
gezeigt, dass nur eine engere Vernetzung der mit Provenienz-
forschung befassten öffentlichen Stellen dazu verhelfen kann,
die Aufgabe einer umfassenden Aufarbeitung der Bestände
aller staatlichen und kommunalenMuseen Bayerns in einem
noch annähernd überschaubaren Zeitraum tatsächlich zu
bewältigen. Zu diesem Zweck hat die Bayerische Staatsregie-
Die Provenienzforschung
in Bayern vernetzt sich
Vorhaben des neu gegründeten Forschungsverbunds
Text:
Elisabeth Geuß
rung den Forschungsverbund Provenienzforschung Bayern
ins Leben gerufen, in dem sich zunächst die folgenden Ein-
richtungen zusammengeschlossen haben:
n
Bayerisches Nationalmuseum
n
Bayerische Staatsgemäldesammlungen
n
Bayerische Staatsbibliothek
n
Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns
n
Institut für Kunstgeschichte der Universität München
n
Institut für Zeitgeschichte München Berlin
n
Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern
n
Staatliche Graphische Sammlung München
n
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Diese Einrichtungen verfügen über weitreichende Erfah-
rungen auf dem Gebiet der Provenienzforschung, die sie im
Rahmen des Forschungsverbundes gemeinsam nutzen und
damit Synergieeffekte schaffen wollen. Die Forschungser-
gebnisse sollen – soweit dies möglich ist – allen interessier-
ten Forschern zugänglich gemacht werden. Die Tätigkeit des
Forschungsverbunds ist zunächst auf drei Projekte fokussiert:
1. Wichtige Aktenbestände der Bayerischen Staatsarchive
aus der Zeit des Nationalsozialismus, z. B. von Finanzämtern
und Oberfinanzdirektionen, sowie Unterlagen solcher Behör-
den, die nach 1945 mit Wiedergutmachungs- und Entschä-
digungsverfahren befasst waren, sollen über digitale, online
recherchierbare Findmittel erschlossen werden. Damit wird
Provenienzforschern ein sehr viel schnellerer und präziserer
Zugriff auf diejenigen Akten ermöglicht, die innerhalb der
© Bayerische Staatsgemäldesammlungen München
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