aviso - Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern - page 3

aviso 3 | 2015
RAUBKUNST UND RESTITUTION
EDITORIAL
Geraubte Raubkunst? | Meike Hopp und Stephan Klingen | Seite 24
Sonnige Landschaften und ihre düstere Herkunft | Andreas Strobl | Seite 32
Dr. Ludwig Spaenle
Bayerischer Staatsminister
für Bildung und Kultus,
Wissenschaft und Kunst
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Editorial
LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,
Wir können nicht ungeschehen machen, was Menschen wäh-
rend der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft anderenMen-
schen an Leid zugefügt haben. Wir stehen aber in der Verant-
wortung, Unrechtsgeschichte zu erforschen und Konsequenzen
daraus zu ziehen. Der sog. »verfolgungsbedingte Entzug« von
Kunstwerken in der NS-Zeit war eine besonders perfide Form
der Enteignung. Ziel war letztlich die existenzielle Vernichtung
der Verfolgten, die Zerstörung materiellen Besitzes, die Auslö-
schung individueller, familiärer und kultureller Identität. 70
Jahre nach Kriegsende hat die Suche nach den rechtmäßigen
Besitzern solchen von Nationalsozialisten entzogenen Kultur-
guts oder ihren Erben eine neue Dynamik gewonnen. Der Frei-
staat Bayern stellt sich seiner Verantwortung im Sinne des Wa-
shingtoner Abkommens von 1998: Provenienzforschung gehört
heute zu den Grundsatzaufgaben der bayerischenMuseen, Bib-
liotheken und Archive. Eine Reihe von öffentlichen bayerischen
Einrichtungen widmet sich seit Jahren mit großemEngagement
und hohem Ethos der anspruchsvollen Aufgabe, Raubgut zu
identifizieren, seine Herkunftsgeschichte möglichst lückenlos
zu rekonstruieren, wissenschaftlich aufzuarbeiten, und für die
Öffentlichkeit transparent zu machen. Die Arbeit ist oft müh-
sam und erfordert viel Geduld und Spürsinn. Wo es möglich ist,
wird mit den ehemaligen Eigentümern bzw. deren Erben nach
einer gerechten Lösung zum Verbleib gesucht. Immer geht es
um den Einzelfall, der ein Stück weit mehr zur Annäherung
an die historische Wahrheit führt. Ein wichtiger Schritt für die
Provenienzforschung in Bayern ist der Zusammenschluss zu ei-
nem Forschungsverbund. Im Gegensatz zu immer wieder vor-
getragenen Klischees in manchen deutschen Tageszeitungen
wird in der bayerischen Provenienzforschung respektable und
erfolgreiche Arbeit geleistet.
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