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Die kreative Maschine – Traum oder Illusion?

Hingegen ist die explorative Kreativität eine technisch gut rea-

lisierbare Kreativitätsform. Es gibt bereits eine Fülle von er-

staunlichen Beispielen für kreative Maschinen (d. h. Software),

die diese Form der Kreativität in allen Kunstformen (Malerei,

Musik, Texte etc.) ausnutzt. Die transformierende Kreativität

profitiert von der technischenUmsetzbarkeit ihrer explorativen

Schwester. Allerdings begegnen wir beim Übergang zur trans-

formierenden Kreativität einigen grundsätzlichen Herausfor-

derungen. Das Überschreiten von Grenzen, das Brechen von

vorgegebenen Regeln ist für formale technische Systeme nicht

einfach zu bewerkstelligen. Das KI-System

AlphaGo,

das den

besten menschlichen GO-Spieler besiegte, kann seine Spiele

nicht dadurch gewinnen, dass es schummelt. Dazu müsste ein

technisches System in der Lage sein, selbstständig, d. h. ohne

dass dies vorher explizit programmiert wurde, die vorgegebe-

nen Regeln zu überschreiten.

Dadurch, dass sich die technische Forschung um die Im-

plementierung maschineller Kreativität bemüht, verstehen wir

auch sukzessive den kreativen Prozess im Menschen besser.

Der menschliche kreative Prozess wird häufig romantisch ver-

klärt, aber eine »creatio ex nihil« gibt es auch beim Menschen

nicht. Kreative Menschen unterliegen kulturbedingten Rah-

menbedingungen, sie sind von Vorbildern und dem aktuellen

Zeitgeist geprägt und arbeiten bevorzugt in einer stilistischen

Richtung. Neue Stilrichtungen entstehen parallel zumWandel

in der menschlichen Gesellschaft und Kultur. Das gilt nicht nur

für die Kunst, sondern auch in der Technik und Wissenschaft.

Der kreative Prozess technisch gesehen

Aktuelle Demonstrationen von maschineller Kreativität und

Beispiele für Artefakte, die computerbasiert erzeugt wurden,

sind durchaus eindrucksvoll. Menschen können bei der Betrach-

tung dieser Artefakte nicht mehr eindeutig erkennen, ob sie

von einemMenschen oder von einemComputersystemerzeugt

wurden. Dies stellt durchaus so etwas wie einen Turing-Test

für Kreativität dar, dem in der Diskussion auch ein »Chinese

Room« für Kreativität beigestellt werden kann. Von außen be-

trachtet ist das allemal imposant, allerdings verbreiten diese

Demonstrationen und Beispiele gelegentlich auch einenHauch

von »klugem Hans«, dem Pferd, das rechnen konnte. Das be-

deutet, dass ein Systemdurchaus kreativ erscheinen kann, ohne

es wirklich zu sein.

Wir können uns den kreativen Prozess technisch als die

iterative Abfolge von einzelnen Arbeitsschritten vorstellen.

ImSchritt 1 erzeugenwir mittels eines zufallsartigen Pro-

zesses initiale Startparameter für die Erzeugung eines neuen

Artefakts. Diese Startparameter realisieren die Funktion einer

neuen initialen Idee und sind vergleichbar mit demEffekt einer

Inspiration.

Im Schritt 2 erzeugt ein Algorithmus ein neues Artefakt.

Der Algorithmus beinhaltet dabei implizite oder explizite Re-

geln, die für einen speziellen Stil charakteristisch sind. Diese

Regeln können explizit formuliert sein, wie z. B. in der Kunst der

Fuge für entsprechende Barockmusik. Die Regeln können auch

implizit repräsentiert werden, wie sie beispielsweise durch die

ausführliche Analyse vonBeatles-Musik durchNeuronen-Netze

gewonnen werden. In jedem Fall ist dieser Erzeugungprozess

mit einer Reihe von Parametern ausgestattet, die es erlauben,

Einfluss auf den Erzeugungsprozess zu nehmen (z. B. Frühwerk

vs. Spätwerk der Beatles).

Im Schritt 3 wird das Artefakt letztlich realisiert, was

meist einen physischen Realisierungsschritt beinhaltet, d. h.

ein Bild wird erzeugt, hörbare Musik wird erzeugt und der-

Generative Plastik,

2020, Kunstharz, ∅ ca. 25 cm

Algorithmische Formation blau,

2018, Öl auf Leinwand, 140 × 100 cm