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Ich habe da ein kleines, sakrales Werk geschaffen
War das Gott? Oder doch nur Pieter
Aertsen? Du machst eine wegwerfende Bemerkung
Ich bringe sie zumRecycling
Ist das Kunst? Oder kann das
ZumGeschwätz
Du sagst, ich solle mir nicht von allem
Ein Bild machen. Ich sage, das sind auch
Keine Bilder. Ich male mir das nur aus
Du zeigst mir Evidenz, ich will darüber reden
Dann suchen wir den Notausgang aus demGespräch
Und ich schlage mit der bloßen Hand die Scheibe ein
Was das soll? Nun, ich bin neulich wieder über ein Bild gestol-
pert. Heute sind Bilder überall, auf Verpackungen, auf unseren
Screens, an jederHaltestelle, imNetz verfangen sie sichmillionen-
fach jeden Tag, auch auf Buchumschlägen. Wer geht da noch ins
Museum? Ichmöchte keine bloßenBildermehr sehen, ichmöchte
darüber reden, wie wir sehen, nicht was.
Auf einemBuch über das Böse starren mir die toten Augen
eines Ochsen entgegen, da bin ich just morgens spazieren gewe-
sen und hatte einen wunderschönen Edelfalter gesehen,
Manio-
la jurtina.
Großes Ochsenauge. Zwei Bilder kämpfen in meinem
Kopf um den Begriff. Mein Blick geht immer wieder zu diesem
Anblick der Zerstörung. Ist das nun eindeutig, mit dem über-
mächtigen Fleisch vorne und der großherzigen Geste klein im
Hintergrund? Jemand meint, es zeige nur, wie anziehend und
zugleich abstoßend wir das Böse fänden.
Dannwieder Flattern. Mir käme nie in den Sinn, einOchsenauge
aufzuspießen. Sie? Wann haben Sie zuletzt ein Ochsenauge ge-
sehen, und wie?
Philosphischer Aperçu
Philosphischer Aperçu
– Großes Ochsenauge
Lisa Frühbeis hat sich einen Namen
im Bereich des feministischen
Comics gemacht. Sie hat an zahl-
reichen Ausstellungen teilgenom
men, u. a. der Brooklyn Art Library
in New York, zu Publikationen
beigetragen und wurde durch viele
Künstlerresidenzen ausgezeichnet,
etwa in Angoulême oder in Gatineau/
Québec mit einem Stipendium
des Freistaats Bayern. Ihre Comic-
Kolumne
Busengewunder
er-
schien im Berliner Tagesspiegel,
2020 publiziert der Carlsen Verlag
die Folge. Frühbeis unterrichtet
Illustration an der Hochschule Würz-
burg und ist als Graphic Re-
corderin und Kreativcoach tätig.
Foto: Gesa Koch-Weser
Mara-Daria Cojocaru, geboren
1980, ist Dozentin für praktische
Philosophie und Schriftstellerin.
Auslandsaufenthalte brachten sie
u. a. nach Südafrika, in die USA
und nach Großbritannien. Sie pub-
liziert regelmäßig in wissen
schaftlichen und nicht-wissenschaft-
lichen Formaten. Ihr letzter Ge-
dichtband,
Anstelle einer Unter-
werfung,
ist 2016 bei Schöffling &
Co. erschienen. 2017 wurde sie
dafür mit dem Bayerischen Kunst-
förderpreis ausgezeichnet. Aktuell
arbeitet sie an einem Buch zur
Rolle von Emotionen in den Bezieh-
ungen zwischen Menschen und
Tieren. Die Autorin bezieht sich im
nebenstehenden Text auf den
Buchumschlag von Diana Jeskes
The Evil Within – Why We Need
Moral Philosophy
(Oxford UP, 2018),
der einen Ausschnitt des Gemäl-
des
Fleischerladen mit Flucht
nach Ägypten
(Pieter Aertsen,
1551) abbildet.
maradariacojocaru.weebly.com