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FRAUEN. GLEICHE CHANCEN – ANDERE MÖGLICHKEITEN
COLLOQUIUM
Austausch. Das Atelier wird bald zu einem Treffpunkt der
Frauenbewegung. Frauen lassen sich hier in unterschiedlichs
ten Rollen inszenieren, am Schreibtisch, als Schriftstellerin
und Philosophin, als Tänzerin oder Amazone.
Die Anfänge der modernen Frauenbewegung in München
Im Mai 1894 gründet der Kreis um Anita Augspurg die
Gesellschaft zur Förderung geistiger Interessen der Frauen
einen Verein, der die Ziele der Frauenbewegung verfolgt. Hier
finden sich Frauen und Männer des Münchner Bürgertums
aller Konfessionen zusammen. Von den Mitgliedern wird
erwartet, die emanzipatorischen Vorstellungen des Vereins
nach außen zu tragen. Um diese Ideen publik zu machen,
veranstaltet der Verein ab 1895 im Haus des Bayerischen
Kunstgewerbevereins Gesellschaftsabende mit Vorträgen
und Diskussion (heute: Pacellistrasse 7) .
Anita Augspurg legt 1896 einvernehmlich den Vorsitz imVer
ein nieder. Sie, die in Zürich Jura studiert und für radikalere
Forderungen im Hinblick auf Veränderungen im Ehe- und
Familienrecht des BGB plädiert, will die engagierte, jedoch
gemäßigte Vorgehensweise des Münchner Vereins nicht ge
fährden. Der Verein vermeidet aufgrund der Verhältnisse in
Bayern ganz bewusst ein radikales Vorgehen und engagiert
sich daher auch karitativ. Die Vereinstätigkeit der bürgerli
chen Frauen durfte nicht zu politisch erscheinen – noch bis
1908 wird Frauen die Beteiligung an politischen Vereinen
und Versammlungen verboten sein. Ika Freudenberg wird
1896 zur neuen Vorsitzenden gewählt. Jetzt schließt sich die
Münchner Organisation dem
Bund Deutscher Frauenver
eine
(BDF) an.
Die
Gesellschaft
nimmt gezielt Männer auf. Während auf der
Mitgliederliste von 1896 erst 6Männer stehen, darunter der
nachmals so berühmte Bildhauer Herman Obrist, verzeich
net die Mitgliederliste von 1897 bereits 22 Männer, so den
Jugendstilkünstler August Endell, Rainer Maria Rilke, Dr.
Carl von Thieme, Direktor der Münchener Rückversicherungs-
Gesellschaft, Ernst Freiherr vonWolzogen, den Schriftsteller
und Gründer eines der ersten literarischen Kabarette und den
Dichter und Professor für Volkswirtschaft Max Haushofer.
Der erste Bayerische Frauentag 1899 – Propaganda für
ein Netzwerk der Frauen in Bayern
1897 lassen Anita Augspurg und Sophia Goudstikker von
August Endell ein neues Atelierhaus gestalten. Die meergrü
ne Jugendstilfassade mit dem markanten Ornament ist zu
erst der Skandal, dann die Sensation, die das Atelier
Elvira
zum berühmtesten Fotostudio im ganzen deutschen Reich
macht. 1898 wird Goudstikker zur
Königlich Bayerischen
Hofphotographin
ernannt, das Atelier
Elvira
darf nun sogar
die Bezeichnung
Hofatelier
führen.
Unter demVorsitz von Goudstikker undMitarbeit von Emma
Merk eröffnet der Verein 1898 eine »Rechtsschutzstelle« für
Frauen aller Schichten in der Von-der-Tann-Straße 2. Um
Lobbyarbeit zu betreiben, wählt er für seine Veranstaltungen
stets repräsentative Orte, das
Hotel Vier Jahreszeiten
, den
Bayerischen Hof
, das
Café Luitpold
und das
Künstlerhaus
am Lenbachplatz
.
1899 benennt sich die
Gesellschaft zur Förderung geistiger
Interessen der Frau
um in
Verein für Fraueninteressen
und
gründet Kommissionen: eine »Zentralstelle für Wohlfahrts
einrichtungen«, eine »Auskunftsstelle für Frauenberufe«,
eine »Abteilung für soziale Arbeit«, eine »Jugendgruppe«.
Der Verein beschließt, seine Aktivitäten auf ganz Bayern
auszudehnen und die Frauen Bayerns nach München ein
zuladen. An dem Kongress, der vom 18.–21. Oktober in
München stattfindet, nehmen über 50 Frauen aus 14 baye
rischen Städten teil. Möglich gemacht hatte ihn eine neue
Rechtslage: 1898 hatte der Gesetzgeber den Artikel 15 des
bayerischen Vereinsgesetzes gelockert. Nun war es volljähri
gen Frauen erlaubt, Vereinen beizutreten oder an Versamm
lungen teilzunehmen, die den Berufs- und Standesinteressen
bestimmter Personenkreise oder den Zwecken der Erzie
rechts
Alte Post-
karte vom Garten-
haus des Künstle-
rinnenvereins in der
Barerstr. 21, Sitz des
Schriftstellerinnenver-
eins von 1925-1933.
daneben
Anita Augspurg in ih-
rem Arbeitszimmer
1899.