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aviso 1 | 2019
FRAUEN. GLEICHE CHANCEN – ANDERE MÖGLICHKEITEN
COLLOQUIUM
damals modernenMaschinenbildern gegen diese abzugrenzen.
Als Frauen 1909 das volle Immatrikulationsrecht für Tech
nische Hochschulen erhielten, hatten die Ingenieurwissen
schaften die homosoziale Kultur und die männliche Asso
ziierung fest verankert. 1913 studierten lediglich 65 Frauen
an Technischen Hochschulen, während es an Universitäten
immerhin 3368 Studentinnen waren. Ähnlich wie im Stu
dium sieht es auch in der Ausbildung aus, wobei seit 1980
mittlerweile fast doppelt so viele Frauen in den männlich
dominierten Ausbildungsberufen zu finden sind. Während
Männer bei der Ausbildungswahl Produktionstechnik präfe
rieren, begeistern sich Frauen auch für die Gesundheits- und
Gestaltungstechnik. Hohe Frauenquoten finden sich in der
Medizintechnik (64,6% Frauen) und den Ausbildungsberu
fen Augenoptiker/in und milchwirtschaftliche/r Laborant/
in, Biologielaborant/in und Textillaborant/in. ImBaubereich
sind Frauen vorwiegend als technische Produktdesignerin
nen oder technische Zeichnerinnen tätig. Besonders niedrig
ist der Frauenanteil in den Metallberufen (2,7%) und in der
Bergbautechnologie (2,4%).
Diese Unterschiede zeigen eine weibliche Präferenz der Dienst
leistungsberufe und Tätigkeiten, die interdisziplinär sind und
neben technischen auch soziale Komponenten beinhalten.
Der MINT-Beruf
Obwohl das Lohnniveau hoch ist und für Frauen die Bedin
gungen in sämtlichen akademischen und in berufsqualifizier
ten MINT-Arbeitsfeldern gut sind, sind Frauen in MINT-
Berufen noch immer deutlich unterrepräsentiert. Trotz der
steigenden Tendenz (imVergleich 2013: 14,4%) lag der Frau
enanteil der Beschäftigten imMINT-Sektor 2017 bei 15,2%.
Besonders hohe Frauenanteile findet man in mathematischen
oder naturwissenschaftlichen Berufen. Vor allem Fächer,
in denen verschiedene Themen verknüpft werden, wie in
den Bereichen Textil, Pharmazie, Biotechnologie und Medi
zintechnik, sind für Frauen ansprechend. In den technischen
und IT-Berufen sind Frauen dagegen sehr selten anzutreffen,
sie spezialisieren sich dort eher in Nischen und kreativeren
und sozialeren Fachgebieten.
Zwar werden in vielen Unternehmen Pull-Strategien ein
gesetzt, um mehr qualifizierte Frauen für MINT-Berufe zu
gewinnen, jedoch werden nur selten auch gezielt Push-Stra
tegien eingesetzt, um Frauen zu fördern und zu halten. Auch
inMINT- Berufen ist der Anspruch an Fach- und Führungs
kräfte, dauerhaft leistungsbereit, erreichbar und anwesend zu
sein. Individuelle Konflikte mit den gesellschaftlichen Rah
menbedingungen und zwischen der Berufs- und Geschlech
terrolle führen bei Frauen somit oftmals zu beruflicher Un
zufriedenheit und zum Verlassen des Berufes (Drop-Out).
Aber was kann getan werden?
Der MINT-Sektor verunsichert Frauen durch traditionelle
Berufsbilder, starre Organisationsstrukturen, veraltete Cur
ricula und die Kultur der Fächer. Junge Frauen gehen mit
einem breiter aufgestellten fachlichen Interesse in MINT-
Studiengänge und Ausbildungen als viele junge Männer. Sie
suchen eher nach nicht-technischen Zusammenhängen und
den Anwendungsmöglichkeiten von theoretischen Inhalten
und Formeln. Mit mehr Kontextbezug, regelmäßigen Ein
schüben zur Einordnung des Themas in Gesellschaft und
Umwelt und der Reflexion von Erkenntnissen könnte hier
in Studium und Ausbildung angesetzt werden, jedoch wer
den anfangs oft nur die theoretischen Grundlagen vermittelt
und erst später der Praxisbezug.
Innerhalb der MINT-Studiengänge ist die soziale Inklusion
von Frauen weit vorangeschritten. Dennoch ist die kollegiale
Inklusion sehr kläglich. Für viele Frauen bedeutet das, dass
sie an jedem Übergang hinsichtlich ihrer fachlichen Fähig
keiten hinterfragt werden und diese erneut begründen und
beweisen müssen. Es gibt immer noch Verhaltensweisen und
Strukturen, die eine selbstverständliche Vorwegnahme vor
handener fachlicher Kompetenzen behindern. Dadurch müs
sen sich Frauen während der Ausbildung, dem Studium und
im Berufsleben immer wieder in ihrer Berufswahl erklären
und sind höheren Leistungsanforderungen ausgesetzt. Die
se individuelle Kompensationsleistung sollte zugunsten ei
ner selbstverständlichen professionellen Akzeptanz, bei der
kein ständiger wiederkehrender Beweis- und Erklärungsbe
darf besteht, verändert werden. Um dem Drop-Out entge
gen zu wirken, müssen zudem die Arbeits- und Leistungsbe
wertungsmodelle grundsätzlich überdacht und vorhandene
Strukturen angepasst werden.
Förderprogramme für Frauen in MINT
Politik und Wirtschaft riefen in den letzten Jahrzehnten
etliche Förderprogramme ins Leben, um die Frage nach
Motivations- und Restriktionsfaktoren imThemenfeld »Mäd
rechts
Chemie-Laborantin bei der Arbeit.
daneben
Vorlesung in einem MINT-Fach.
darunter
Workshop zur Förderung des MINT-Interesses
von Schülerinnen.