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aviso 1 | 2018
SKIZZE UND IDEE
AVISO EINKEHR
Text:
Karl Gattinger
DIE EHEMALIGE REICHSSTADT
Dinkelsbühl rühmt sich
zu Recht, ein Kulturdenkmal von europäischem Rang zu
sein. Dank ihres reichen Bestandes an Einzelbaudenkmälern
hat die Stadt eine weit über Bayern und Deutschland hinaus
reichende kulturelle Bedeutung. Und auch in der Geschichte
des Denkmalschutzes spielt Dinkelsbühl eine wesentliche
Rolle: Der Erlass des jungen Königs Ludwig I. im Jahr 1826,
der im letzten Moment den Abbruch der historischen Stadt-
mauer mit all ihren Toren und Türmen verhinderte, gilt als
Geburtsstunde der staatlichen Denkmalpflege in Bayern.
Es sollte jedoch noch über ein halbes Jahrhundert dauern, bis
das altehrwürdige Städtchen, das nach demDreißigjährigen
Krieg in einen regelrechten Dornröschenschlaf gefallen war,
als pittoreskes Mittelalter-Idyll wiederentdeckt wurde. Im
Frühling 1888 waren drei Malerfreunde aus München bei
einer Radtour durch Franken zufällig auf Dinkelsbühl gesto-
ßen. Zurückgekehrt nach München, konnten sie ihre Künst-
lerfreunde vomMittagsstammtisch imDeutschen Haus am
Lenbachplatz mit ihrer schwärmerischen Begeisterung sofort
anstecken: Schon im Sommer des nächsten Jahres brach eine
zwölfköpfige Gruppe von passionierten Landschaftsmalern
nach Dinkelsbühl auf. Bereits bei ihrem ersten Aufenthalt
nahmen sie im Weißen Ross am Schweinemarkt Quartier,
wie das umgehend angelegte Gästebuch – das mit unzähli-
gen Künstlereinträgen bis 1915 weitergeführte und kultur-
geschichtlich sehr aufschlussreiche Buch liegt mittlerweile
im Stadtmuseum – eindrucksvoll dokumentiert.
DAS GASTHAUS ZUM
Weißen Ross steht markant an der
Einmündung der denWein- mit dem Schweinemarkt verbin-
denden Steingasse. Der zweigeschossige, verputzte Eckbau
mit steil aufragendem Satteldach ist mit seiner schmalen
Giebelseite zum Platz hin ausgerichtet. Regelmäßig gesetzte
Kreuzstockfenster und deren Brettläden prägen das äußere
Erscheinungsbild. Die bayerische Denkmalliste datiert das
AVISO EINKEHR
DAS WEISSE ROSS IN DINKELSBÜHL
© Michael Forstner, Bildarchiv BLfD