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und Familie, täglicheWege und Besorgungen, doku­

mentieren aber ebenso Augenblicke überraschen-

der, die Aufmerksamkeit bannender Entdeckungen.

DAS SKIZZENBUCH BIETET

einen geschützten Raum,

in dem – das Risiko des Scheiterns inbegriffen –

experimentiert und geforscht werden kann. Durch

den Prozess der Aufzeichnung verändert sich auch

die Wahrnehmung, Perspektive und das Wissen

in Bezug auf den bearbeiteten Sachverhalt oder

Gegenstand. Thematisches Umherschweifen wird

in zielgerichtetes Suchen und Fragen sowie eine

über einen längeren Zeitraum anhaltende Ausein­

andersetzung überführt. Zeichnung und Schrift

sind daher nicht nur als Mittel der Darstellung

wissenschaftlicher und künstlerischer Gedanken

zu begreifen, sondern auch als Stätte ihrer genui-

nen Entdeckung, Erfindung und Exploration.

Skizzenbücher können das Beginnen, Suchen, Fin-

den, das Ringen und auch das Verwerfen, Ausstrei-

chen und Löschen in künstlerischenWerkprozessen

begleiten und bewahren. Diese ersten Schritte auf

dem Weg eines noch zu schaffenden autonomen

Werkes bieten dem Betrachter unmittelbaren Ein-

blick in dessen Entwicklungsstadien. Beobachtun-

gen werden gesammelt und aus diesem Reservoir

geschöpft, Bildkonzepte skizziert, unterschiedliche

Varianten getestet. Im Entwurfsprozess ermög-

licht die Visualisierung der Idee in der Zeichnung

ein Herantasten an die Stimmigkeit des Erdach-

ten. Eigene Vorstellungen können überprüft und

präzisiert sowie anschaulich an andere kommu-

niziert werden.

GANZ IM GEGENSATZ

zum autonomen, öffentlich

wahrgenommenenWerk sind Skizzenbücher bereits

in der Entstehung jedoch oftmals auch durch Pri-

vatheit und Intimität geprägt. Das Medium stellt

zunächst einen Schutzraum dar, in dem externe

Betrachter in der Regel nicht vorgesehen sind. Per-

sönliche Erlebnisse und Erfahrungen, Erinnerun-

gen und Traumbilder, die Bilder des eigenen ›Kopf-

Kinos‹ werden – gleichsamwie in einem visuellen

Tagebuch – aufgezeichnet und reflektiert, Eindrü-

cke der äußeren und innerenWelt verarbeitet. Allen-

falls vertraute Menschen erhalten Einblick. So gilt

es für den Betrachter und Forscher beimUmgang

mit Skizzenbüchern in einer öffentlichen Samm-

lung sich stets zu vergegenwärtigen, dass es sich

um eine Lektüre fremder privater Aufzeichnungen

handelt und diesen achtsam zu begegnen.

oben

Pierre Bonnard, 1867–1947, La femme au chat,

Einzelblatt aus einem Skizzenbuch, 1912, SGSM, 2011:9 Z.

unten

Johann Michael Ferdinand Heinrich Hoffmann,

1824–1911, Skizzenbuch, 1855–1857, SGSM, 1965:76 Z.