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aviso 4 | 2017

GLAUBEN UND GLAUBEN LASSEN

COLLOQUIUM

aviso-Gespräch

»Was glaubt ihr denn?« Das fragt Björn Bicker in seinem

gleichnamigen Buch, das aus dem Stadtprojekt Urban Prayers

hervorgegangen ist. Für das Projekt hat der Autor und Dra-

maturg intensiv recherchiert, mit Anhängern aller Glau-

bensrichtungen gesprochen, die er in München angetroffen

hat, und ihre Glaubensorte besucht. Er hat die Menschen

gefragt, woran sie glauben, wo sie beten, was sie vom Glau-

ben der anderen glauben und von den Ungläubigen. Das zu-

gehörige Theaterstück Urban Prayers (MUC) wurde 2013

an den Münchner Kammerspielen unter Johan Simons

uraufgeführt, das Buch erschien 2016 imVerlag Antje Kunst-

mann und wurde mit dem Tukan-Preis der Stadt München

ausgezeichnet.

Was glaubt ihr denn? Das fragt der Chor der gläubigen Bür-

ger, der aus diesen Begegnungen und Gesprächen entstanden

ist und in beiden Werken eine zentrale Rolle spielt.

Was glaubt ihr denn.

Wer wir sind.

Was wir glauben.

Was glaubt ihr denn.

Wer wir sind.

Wo wir wohnen.

Wo wir schlafen.

Wo wir beten.

Was

glaubt

ihr

denn?

Ein Gespräch mit Björn Bicker über Religion,

Migration und den Einfluss der Künste auf

den öffentlichen Diskurs

LAURA VELTE

Herr Bicker, das Projekt Urban Prayers bil-

det als Buch und als Stück Ihre beiden Professionen ab: Autor

und Dramaturg. Sehen Sie einen Unterschied in Ihrer Ar-

beitsweise, wenn es sich um ein performatives Projekt wie

eine Inszenierung handelt, imGegensatz zu einem Prosatext?

BJÖRN BICKER

Eigentlich gibt es für mich keinen Unter­

schied, weil ich mich primär für Themen interessiere. In

diesem Fall für das Thema Religion. Wenn mich ein Ge-

genstand interessiert, beschäftige ich mich damit, recher-

chiere, arbeite daran meistens im Rahmen eines Auftrags.

Durch meine Arbeit am Theater habe ich das Glück, dass

mich die Theater selbst oder andere Institutionen damit

beauftragen, zu einem bestimmten Thema etwas zu konzi-

pieren.

Am Anfang weiß ich oft noch nicht, welche Form die Ar-

beit bekommen wird. Und das ist gut. Erst im Laufe der

Recherche und der Auseinandersetzung mit dem Thema

entscheide ich darüber – in der Regel ergibt sich das auto-

matisch –, ob daraus ein Theaterstück oder ein Prosatext

wird.

Allerdings stimmt das auch nicht ganz, denn wenn es Auf-

traggeber gibt, dann haben die natürlich eine bestimmte

Vorstellung, was aus dem Projekt werden soll.

Aber dennoch ergeben sich die genauen Formen tatsächlich

während der Arbeit, aus dem »Feld« sozusagen. So macht es

erstmal keinen Unterschied, um was für eine Form es sich

© Andrea Huber, Kammerspiele | Verlag Antje Kunstmann | Gabriela Neeb, Kammerspiele