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Auffassung: »Die Gesellschaft hat eine Zukunft, wenn sie sich eine
schafft.« Und der philosophisch geschulte Literaturkritiker der ZEIT,
Ijoma Mangold, ist sich sogar sicher, dass die Literatur in dieser
Zukunft eine herausragende Rolle spielen wird: »Die Literatur in ihrer
Doppelfunktion, Gedächtnis und eye opener zugleich zu sein, welche
kognitive Maschine sollte gefragter sein in den Welten, die auf uns
zukommen?«
EVA HORN AUS
Wien beschreibt den tragischen Blick auf diese
Zukunft: »Es ist ein Blick, der in der Katastrophe nicht nur die Zer-
störung von Gütern und Werten liest, sondern die grundlegende
Zerstörung einer menschlichen Natur, die sich ihre eigene Grundlage
entzogen hat.« Sie zitiert Walter Benjamin: »Der Begriff des Fort-
schritts ist in der Idee der Katastrophe zu fundieren. Daß es ›so weiter‹
geht, ist die Katastrophe.« Aber es geht weiter, mit dieser katastrophi-
schen Perspektive müssen wir leben, daran erinnert uns Harald Wel-
zer. Wie es weitergeht, schildert Niklas Maak anhand der Architektur
der Internet-Mogule in Kalifornien; und Christoph Menke entwickelt
anhand der TV- Serie »Breaking Bad« eine interessante These: »Die
Zukunft öffnet sich in der Gegenwart nur durch einen ›Tigersprung
ins Vergangene‹« (Walter Benjamin). Die Lebendigkeit, die die Ge-
genwart auf die Zukunft öffnet, ist die Erinnerung und Wiederholung
Dr. h. c. Michael Krüger
, 1943 in Wittgendorf,
Kreis Zeitz geboren, war viele Jahre Geschäftsfüh-
rer des Münchner Carl Hanser Verlags und
Herausgeber der Literaturzeitschrift AKZENTE.
Er ist Mitglied verschiedener Akademien,
Autor von Gedichten, Geschichten, Novellen und
Romanen. Neben vielen anderen Auszeich-
nungen erhielt er den Peter-Huchel-Preis und
den großen Literaturpreis der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste. Michael Krüger ist
Präsident der Bayerischen Akademie der
Schönen Künste.
Zum Weiterlesen
»Wo ist die Zukunft geblieben? Eine Vortragsreihe
der Bayerischen Akademie der Schönen Künste«
erscheint in diesen Tagen beim Wallstein-Verlag.
DIE ZUKUNFT HAT SCHLECHTE KARTEN
Sie liegt zwar immer noch vor uns, aber keiner denkt mit
Freude und hohen Erwartungen an sie. Liest man, was an
der letzten Jahrtausendwende im Ton der Gewissheit von
ihr erhofft wurde, wird man schamrot: keine Kriege, kei
ne Grenzen, ein geeintes Europa, ein zivilisiertes Internet,
die Einhegung und Verbesserung der Umweltprobleme,
das Nachlassen der Migrationsströme, das Ende des
ungebremsten Finanzkapitalismus. Die Liste ist lang und
ehrenvoll – und hat sich als großer Irrtum herausgestellt.
Ist Prognostik nichts anderes als Wunschdenken? Da die
Zukunft aber unweigerlich auf uns zukommt, wollen wir
uns mit ihr befassen, bevor sie schon wieder Vergangen
heit ist. Die Bayerische Akademie der Schönen Künste hat
dazu eingeladen, über die Zukunft nachzudenken. Ob sie
dadurch besser wird, ist ungewiss; aber es wäre schon
viel geholfen, wenn sie besser zu ertragen wäre.
geblieben?
einer vorvergangenen Lebendigkeit, die niemals
Gegenwart, niemals ›da‹ war, weil sie der grund-
lose Grund ist, aus dem alles, was gegenwärtig
ist, hervorgeht, indem es sich von ihm losreißt.«
DAS LETZTE WORT
soll Karl Heinz Bohrer
haben: »Ohne geschichtstheoretische Begrün-
dung hat Montaigne die Priorität der Gegenwart
allein aus der Evidenz der Selbstbeobachtung in
einer jeweiligen Gegenwart geschlossen. Und dies
bevor und nachdem immer wieder Zukunftsver-
sprechungen oder Zukunftsdrohungen sich ablös
ten. Eigentlich hätte man alles auch ohne Beru-
fung auf große Geister sagen können. Aber nur
dann, wenn man nicht Gottes Gericht oder die
Weltrevolution im Auge hat. Nur dann hat man,
wie Montaigne, die Zukunft hinter sich gelas-
sen und freut sich über einfache Veränderungen:
zum Beispiel, dass die Blätter der Bäume plötz-
lich eine andere Farbe angenommen haben.« Die
Bayerische Akademie dankt allen Vortragenden
für ihre anregenden Überlegungen zu einer Sache,
die – ob wir wollen oder nicht – immer morgen
beginnt.