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aviso 2 | 2016

FREMDE, IN DER FREMDE

EDITORIAL

Die Angst als Wegbegleiter | Marita Krauss | Seite 24

Ein Paradies im Kaukasus ... | Florian Knauß | Seite 44

Dr. Ludwig Spaenle

Bayerischer Staatsminister

für Bildung und Kultus,

Wissenschaft und Kunst

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Editorial

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

Fremdsein gehört zur Conditio Humana, ist uns allen vertraut.

Plötzlich fühlen wir uns nicht zugehörig, ungeschützt, verletzlich.

Hält der Zustand länger an, so werden wir damit konfrontiert,

wie angewiesen auf die anderen wir eigentlich sind. Es täte gut,

sich in diesen Tagen an solche Gefühlslagen zu erinnern: Ohne

Empathie kommen wir schwer weiter, wenn Angst undWut im­

mer mehr um sich greifen, Meinungen, Entscheidungen, Hand­

lungen bestimmen. Ein Riss entsteht in unserer Zivilgesellschaft:

Auf der einen Seite steht die Angst vor »den anderen«, die »nicht

von uns« sind, die »nicht zu uns gehören« sollen. Im Grunde

verbirgt sich dahinter vielleicht die Angst davor, die eigene Welt

vor lauter Veränderung nicht mehr wiederzuerkennen. Auf der

anderen Seite steht die Angst vor dem Rechtsruck, vor einem

wie auch immer gearteten Rückfall in die schlimmste Zeit, die

Deutschland je erlebt hat. Erschreckend ist, was an Menschen­

verachtung, Rassismus, Hasstiraden derzeit besonders imNetz

verbreitet wird. Wie diejenigen erreichen, die sich in solchen

Denkmustern verfangen haben? Unverzichtbar bleibt der Dia­

log, und wir sollten nicht vergessen, dass Auseinanderset­

zung zumWesen der Demokratie gehört. Grundwerte müssen

dabei verteidigt werden. Die Menschenwürde bleibt unantast­

bar, es gilt immer wieder, das Humanum, das uns verbindet, zu

erkennen. Wenn man sich von dieser Warte aus auf Begegnung

einlässt, kann Fremdes vertraut werden. Dann können wir uns

durch das Fremde faszinieren, inspirieren und bereichern las-

sen. Aber diese Erfahrung ist ohne Eigenleistung nicht zu haben.

Eine Eigenleistung, die uns fordert, die sich lohnt.