aviso 1 | 2016
DINGWELTEN – UNIVERSITÄTEN ALS SAMMLER
BAYERNS VERBORGENE SCHÄTZE
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allein dort eingetragen sind, nein, auch
alle Professoren und manche »Univer-
sitätsverwandte« sind dort zu finden:
eben als Ausdruck dafür, dass es sich
um einen Zusammenschluss von Men-
schen zu einer umfassenden Gemein-
schaft handelt.
MAG DAS MATRIKELBUCH
für die
innere Verfasstheit der Universität ste-
hen, so sind die Siegel sichtbares äuße-
res Zeichen derselben und nicht minder
rechtswahrend. Aus der Frühzeit der
Ingolstädter Universität sind glückli-
cherweise viele Typare überliefert; die
meisten stammen vom Ende des 15. bzw.
vom Beginn des 16. Jahrhunderts. Die
Siegel sind bereits im Stiftungsbrief von
Herzog Ludwig dem Reichen der Uni-
versität als Ganzes und jeder ihrer vier
Fakultäten verliehen worden, und damit
eines der wichtigsten Privilegien wie
auch Einnahmequellen. Auch das Sie-
gelbild ist bereits im Stifterbrief festge-
legt: Die Madonna mit demKind unter
einem gotischen Baldachin findet sich
übrigens auch auf dem »Stifterblatt«
im ältesten Matrikelbuch. In den Sie-
gelbildern der vier Fakultäten erkennt
man jeweils deren Patrone und Zei-
chen ihrer »Wissenschaft«, also ihres
»Herrschaftsbereiches«. Die Siegelbilder
sind also von hohem Symbolwert, zeu-
gen sie doch von der Identifikation mit
den Patronen der Korporation und dem
Selbstverständnis der jeweiligen Fakul-
tät. Aufbewahrung und Gebrauch der
Siegel und Sekrete waren im Statut der
Universität streng geregelt. Sie wurden
meist zusammen mit Geld und Privile-
gien in einer »archa«, einer Holzkiste,
verschlossen aufbewahrt. Auch solch
eine Fakultätskassette ist uns überlie-
fert; wenn man so will, ist sie Teil des
Insignienschatzes.
Sind materieller Wert bei Siegel und
Matrikelbuch deren rechtsetzender
Kraft gleichzusetzen, so fokussiert ein
Szepter die Rechtsgewalt der Universi-
tät: Die Anwesenheit universitärer Szep-
ter bei feierlichen Anlässen der akademischen Gemeinschaft,
getragen ausschließlich von autorisierten Personen, das Vor-
antragen vor Rektor und Dekanen, symbolisiert Herrschafts-
anspruch und Autonomie der universitären Korporation. Für
Ingolstadt sind schon seit Gründung Szepter erwähnt, heute
noch erhalten sind nur zwei wesentlich jüngere Stäbe: Das
Szepter der Artistenfakultät datiert auf 1642, das der drei
oberen Fakultäten auf 1600 oder 1642.
DEUTLICH ÄLTER DAGEGEN
ist der Star des Insignien-
schatzes der LMU: Das »Goldene Schiff«, wie der Trinkpo-
kal in Form einer Hansekogge genannt wird. Der aus Silber
gefertigte und teilweise vergoldete Tafelaufsatz ist ein Stück
aus der Augsburger Werkstätte des Caspar Hentz und wur-
de 1594 der Universität von einem ihrer ehemaligen Stu-
denten geschenkt – keinem geringeren als dem Erzherzog
und nachmaligem Kaiser Ferdinand, der so seiner Dank-
barkeit gegenüber der Hohen Schule zu Ingolstadt Ausdruck
verlieh. Der Pokal wurde schnell zu einem repräsentativen
Prunkstück bei besonderen Anlässen und erreichte, da glei-
chermaßen der Universität aufs huldvollste verliehen, rasch
Insigniencharakter. So sticht der Schiffspokal nicht nur auf-
grund seiner Feingliedrigkeit und besonderen Anmutung zwi-
schen all den »üblichen« Insignien hervor, sondern vor allem
wegen seiner Singularität. Halt: Ganz der Wahrheit entspricht
letzteres nicht, denn es gibt von diesem wunderbaren Werk-
stück noch ein weiteres, in etwa gleiches aus der Augsburger
Werkstatt. Das allerdings befindet sich weit weg von Bayern
– im Ostfriesischen Landesmuseum in Emden.
Und wie steht es heute mit dem Schatz der Gelehrten? Sind
die Insignien der alten Universität heute doch nur noch eine
Ansammlung »schöner Stücke«, gerne auch vorgezeigt als
Altersbeweis der Institution und damit doch wieder gebraucht
(oder missbraucht?) als Nachweis einer gewissen Dignität bei
links oben
Ansprache des
Religionsphilosophen Romano
Guardini zur Enthüllung des
Denkmals für die Weiße Rose,
1958, vor ihm auf dem Tisch
das Goldene Schiff sowie das
Szepter der Artistenfakultät und
das der drei höheren Fakultäten.
darunter
Goldenes Schiff,
Tafelaufsatz von Caspar Hentz,
ca. 1594.
daneben
LMU-Rektor Walter
Wüst (Mitte) mit seinem
römischen Amtskollegen Piero
de Francisci (links), 1942,
vor ihnen auf dem Tisch wiederum
das Goldene Schiff.
rechts oben
Ältestes Matrikelbuch
der Universität Ingolstadt
mit dem Schwurblatt, 1472.