Deutsche Dichter und die Rechtschreibung - eine Zeitreise
In der "Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform", die u.a. von Hans Magnus Enzensberger, Walter Kempowski und Günter Grass unterzeichnet wurde, befürchten die Autoren, daß nach der Reform "die meisten Kinder- und Jugendbücher und dann auch literarische Bücher neu gedruckt (und zugleich alte verramscht oder makuliert und "entsorgt") werden müssen." Zugleich kritisieren sie, die Einführung der Rechtschreibreform würde "Millionen von Arbeitsstunden vergeuden, jahrzehntelange Verwirrung stiften, dem Ansehen der deutschen Sprache im In- und Ausland schaden und mehrere Milliarden DM kosten".
In einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung vom 17. November 1973 äußerten sich die Dichter ebenfalls zur Rechtschreibreform. Einige Zitate: "Klein- und Großschreibungt können ohne weiteres nebeneinander bestehen. In Dänemark, das als Vergleichsland wichtig ist, konnte und kann jedermann fürs eine oder andere optieren...Je weniger die Rechtschreibung von Status-, Prestige- und Bildungsideen besetzt ist, desto besser." (Hans Magnus Enzensberger)
"Ich bin für die gemäßigte Kleinschreibung. Als Lehrer, der Abc-Schützen unterrichtet, weiß ich ja, welch kolossale Schwierigkeiten die Kinder mit dem Problem "groß oder klein" haben. Außerdem erscheint mir das deutsche Schriftbild etwas altertümlich. Angleichung ans Ausland hielte ich für vernünftiger." (Walter Kempowski)
"Das deutsche Problem der Groß- und Kleinschreibung hat die Qualität eines Alpttraumes, den sich viele Schüler bis ins Greisenalter erhalten; mittlerweile mittelalterlich, gehöre ich zu ihnen. Nun soll dieser Alptraum - und zwar von den Sattelfesten - reformiert werden. Da ich mir nicht vorstellen kann, daß sich die bundesdeutschen und deutsch-demokratischen, die Schweizer und österreichischen Schulmeister einigen können und alleine der bundesdeutsche Kulturföderalismus ausreicht, jede auch nur halbwegs vernünftige Reformbestrebung konsequent zu zerreden, wird es wohl ein Schüleralptraum bleiben." (Günter Grass)