Pressemitteilung Nr. 8 – 12. November 1998

Kultusministerin Hohlmeier fordert Wertediskussion in den Schulen

Mit strukturellen und inhaltlichen Reformen will Kultusministerin Monika Hohlmeier die Schulen als Impulsgeber in der gesellschaftlichen Wertediskussion stärken. Im Bildungsausschuß des Landtags erklärte die Ministerin, angesichts der veränderten sozialen Lebensbezüge der Menschen nehme die Verantwortung der Schulen zu, die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. „Die zunehmende Individualisierung – auch im Zuge der immer größeren Bedeutung der neuen Medien, die alle und jeden für sich erreichen – verändern grundlegend die Struktur und das Zusammenleben unserer Gesellschaft und damit auch unserer Schulen. Soziale Kontrollmechanismen greifen oft nicht mehr. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen die Menschen in einem kompakten familiären und sozialen Rahmen eingebettet waren, können sie heute individuell für sich und unabhängig leben – Ausnahmen sind Krankheit, Pflege- oder Hilfsbedürftigkeit. Umso mühsamer ist eine Basis für gemeinsames Handeln und Denken, d.h. für gemeinsame Werte zu definieren", erklärte Frau Hohlmeier. „Diese Aufgabe, der sich die schulische Bildung bereits heute intensiv widmet, wird die Schulen insbesondere durch die wachsende Technisierung und Anonymisierung weiter Lebensbereiche künftig in noch größerem Maße beschäftigen."

Um diese Herausforderung bewältigen zu können, bedarf es nach den Worten der Ministerin einer Fortentwicklung der Maßnahmen, die Lehrkräfte und Eltern in ihrem Erziehungsauftrag unterstützen. Dazu gehöre vor allem der Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus. Weitere Schwerpunkte seien die Verbesserung der Lehrerbildung sowie die Erweiterung der Lehrerfortbildung, die auch auf eine Stärkung der Teamorientierung innerhalb eines Lehrerkollegiums ausgerichtet sein solle. Um die schulische Ausbildung der Kinder und Jugendlichen noch zielgenauer auf soziale Integration einerseits und Anforderungen der Berufswelt sowie Studium andererseits festzulegen, sei ausserdem die Weiterentwicklung des Unterrichts im pädagogischen und erzieherischen Sinne erforderlich. „Diese Themen werden wir in den kommenden Monaten intensiv diskutieren", kündigte die Ministerin an.

Zentrale Zielsetzungen der strukturellen Reformen seien unter anderem die Neugestaltung der Oberstufe des Gymnasiums, die Entscheidung über die Einführung der sechsstufigen Realschule sowie eine Weiterentwicklung der Hauptschule, die sowohl breitere Perspektiven zur Erreichung des mittleren Schulabschlusses eröffnet, wie auch dessintegrierten und lernschwächeren Schülerinnen und Schülern eine ausreichende Basis für ihr Erwerbsleben vermmitteln müsse.

Als zentrales Thema der Bildungspolitik bezeichnete Frau Hohlmeier ausserdem die Einführung der kind- und familiengerechten Halbtagsgrundschule ab dem Schuljahr 1999/2000. Das Kultusministerium erarbeite derzeit ein Konzept, das die pädagogische Betreuung der Grundschulkinder von 7.30 Uhr bis mindestens 13.00 Uhr gewährleistet. Damit soll den geänderten Bedürfnissen der Familien in der heutigen Zeit Rechnung getragen werden. Die Schulämter werden jetzt beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Schulen und den Kommunen den Gesamtbedarf zu ermitteln. Die kind- und familiengerechte Halbtagsgrundschule solle nur dort eingeführt werden, wo dies von den Eltern gewünscht sei. Dabei werde auf den bereits vorhandenen örtlichen Angeboten aufgebaut. „Es wird keine landesweit einheitliche Patentlösung geben, sondern wir werden ein Rahmenkonzept erarbeiten, das flexibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Grundschulen reagiert", betonte die Ministerin. Deshalb ziele das Konzept auf die Einbeziehung der Mittagsbetreuung, der Mittagsgruppen in Kindergärten, der Horte sowie individueller Lösungen. In den Fällen, in denen die genannten Projekte den Bedarf vor Ort nicht befriedigen können, werden schulinterne Lösungen angeboten. Gegenwärtig sei von einer Betreuungszeit von täglich 1 bis 2 Stunden auszugehen. Gerade die personellen Auswirkungen bedürften einer eingehenden Erörterung mit den Lehrerverbänden. Dabei sei zu überlegen, ob entsprechend einer Regelung an Realschulen 100 Minuten Betreuungszeit einer Unterrichtsstunde gleichgesetzt werden könnten. Ausserdem müsse geprüft werden, ob auch Förderlehrer und Lehramtsanwärter in die Betreuung einbezogen werden können. In Bezug auf den Einsatz von Lehramtsanwärtern sei es denkbar, eine oder maximal 2 der bisher 12 Hospitationsstunden durch eine Betreuungsstunde zu ersetzen, in der die Lehramtsanwärter die Gelegenheit haben, ausserhalb des Unterrichts pädagogische Erfahrungen mit Kindern zu sammeln. Einige Grundschulen sollen ausserdem ermutigt werden, von der Möglichkeit einer neuen Rhythmisierung des Schulvormittags Gebrauch zu machen. Neben der individuelleren Schwerpunktbildung ließe diese Neugestaltung auch eine stärkere pädagogische Pausengestaltung zu.

 

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht und Kultus
Dorothee Erpenstein, Pressesprecherin