6. November 1998
Wissenschaftsminister Zehetmair zum Beginn des Wintersemesters 1998/99:"Zügige Umsetzung der Hochschulreform hat begonnen"
Boom bei Informatik und Ingenieurwissenschaften
Der Beginn des Wintersemesters fällt heuer zusammen mit dem Beginn einer neuen Legislaturperiode. Ich sehe dies weniger als Einschnitt denn als kontinuierliche Fortsetzung meiner Arbeit: Die meisten der in diesem Semester anstehenden Neuerungen ergeben sich nämlich unmittelbar aus der Arbeit der zurückliegenden Jahre. Der aktuelle Stand der Hochschulreform und der Zeitplan für die nun anstehenden Schritte ihrer Umsetzung sollen deshalb am Anfang meines Überblicks zum Semesterbeginn stehen.
Mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlagen für die Hochschulreform am 1. August dieses Jahres sind eine Reihe von Neuregelungen sofort umzusetzen. Das gilt insbesondere für den Übergang von Zuständigkeiten vom Ministerium auf die Hochschulen. So sind die Hochschulen nunmehr zuständig für die Genehmigung von Promotions- und Habilitationsordnungen, für die Erteilung der Lehrbefugnis, für die Gewährung von Forschungsfreisemestern u.a. Das im Reformgesetz zwingend vorgesehene Leitungsgremium (Rektorat, Präsidialkollegium) hat sich, soweit an der Hochschule nicht bereits ein Leitungsgremium bestand, kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. September 1998 aus dem Rektor oder Präsidenten und den Prorektoren oder Vizepräsidenten sowie dem Kanzler gebildet. Im Vordergrund bei der Umsetzung der Hochschulreform stehen in diesem Semester die Einrichtung eines Hochschulrates, die Wahl von Studiendekanen, die Evaluierung der Lehre unter Einbeziehung der Studierenden, die Erstellung von Lehrberichten und die Anpassung der Grundordnungen.
Die Einrichtung eines Hochschulrates sollte zu Beginn dieses Wintersemesters erfolgen, eine Reihe von Universitäten und Fachhochschulen hat ihre Vertreter bereits in den letzten Wochen vorgestellt. Wenn man bedenkt, wie groß die Aufregung bei vielen Studenten, aber auch bei manchen Hochschulleitungen, beim Thema "Hochschulrat" im vergangenen Jahr war, so ist es vor allem seit Bekanntwerden einiger Namen, die sich zur Mitwirkung bereit erklärt haben, doch merklich ruhiger geworden. Da hat die Universität Bayreuth neben einem Audi-Manager den Generalsekretär
der Volkswagenstiftung und den Münchner Philosophen Wilhelm Vossenkuhl gewinnen können, die FH Coburg neben dem Geschäftsführer des Innovations- und Gründerzentrums Bamberg den Chefredakteur einer großen deutschen Wochenzeitung und die Universität Erlangen-Nürnberg neben einem Vorstandsmitglied von Siemens auch Professor Harald zur Hausen, den Stiftungsvorsitzenden des Deutschen Krebsforschungszentrums. Die Liste der bisher benannten Hochschulratsmitglieder reicht vom Nobelpreisträger über eine junge Wissenschaftsjournalistin, erfolgreiche Absolventen der Hochschule, prominente externe Wissenschaftler bis hin zu Persönlichkeiten aus den Bereichen Kunst und Kultur. Eine Weichenstellung zugunsten einer Vereinnahmung der Hochschulen durch die Wirtschaft ist nicht zu erkennen, wohl aber das Bemühen, so viel externen Sachverstand wie möglich an die Hochschule zu holen und damit die eigene Hochschule gerade auch im nunmehr beginnenden Wettbewerb zu stärken.
Der nächste Reformschritt, der möglichst bis Ende dieses Semesters getan werden sollte, ist vor allem für die Studierenden wichtig: die Wahl der Studiendekane, die eine vorherige Regelung der Wahlmodalitäten in der Grundordnung voraussetzt. Der Lehrbericht, der nach dem Hochschulreformgesetz jährlich dem Fachbereichsrat zu erstatten ist, wird im Hinblick auf die Notwendigkeit einer vorherigen Bestellung der Studiendekane und der Durchführung einer Bewertung der Lehre durch die Studenten wohl erstmals zum Ende des Sommersemesters 1999 erstattet werden können. Die Prüfungsordnungen schließlich, in denen die vom Gesetz nunmehr vorgeschriebenen Zwischenprüfungen enthalten sind, sind bis zum Jahresende 2001 an die Bestimmungen des Reformgesetzes anzupassen.
Im Interesse der stärkeren Eigenverantwortung der Hochschulen und des Wettbewerbs unter den Hochschulen sieht das Reformgesetz vor, dass bis zu einem Drittel der zur Verfügung stehenden Studienplätze nach dem Ergebnis eines von den Hochschulen durchzuführenden Auswahlverfahrens vergeben wird. Um dies zu ermöglichen, bereiten wir im Ministerium derzeit eine Änderung der Hochschul-vergabeverordnung vor. Damit können die Hochschulen ab dem nächsten Wintersemester, also 1999/2000, von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Bereits zum Sommersemester 1999 wird eine andere
Übergangsregelung des Reformgesetzes wirksam: die neu eingeführten Studiengebühren für ein Zweitstudium. Im Hinblick auf den notwendigen Vorlauf bei den Hochschulen werden wir die entsprechende Verordnung, in der insbesondere die Anwendung des Gebührenrahmens und die Ausnahmen von der Gebührenerhebung festzulegen sind, noch in diesem Jahr erlassen.
Das Thema "Studiengebühren" hat nach dem Regierungswechsel in Bonn wieder an Brisanz gewonnen, weil die neue Regierung das gerade vom Bundespräsidenten unterschriebene Hochschulrahmengesetz noch einmal ändern möchte. Bei der Novellierung des Bayerischen Hochschulgesetzes haben wir die Gebührenfreiheit für das Erststudium bewusst aufrecht erhalten. Die Möglichkeit zum Studium soll unabhängig vom eigenen Einkommen oder dem der Eltern gewährleistet sein, da es uns in erster Linie auf die Leistungen ankommt: Begabung und Leistungsbereitschaft zählen, und nicht der Geldbeutel. Insofern haben wir mit dem von der rot-grünen Koalition geplanten Verbot von Studiengebühren kein Problem. Wenn ich mich trotzdem nachdrücklich gegen einen entsprechenden Passus im Hochschulrahmengesetz wehre, so deshalb, weil wir uns vom Bund nicht vorschreiben lassen, wie die Länder ihre Hochschulen finanzieren. Wir würden uns vom Bund ja auch nicht die Eintrittspreise für die Theater und Museen per Gesetz diktieren lassen. Im übrigen war es die erklärte Absicht aller am Zustandekommen des HRG Beteiligten, das neue Rahmengesetz wirklich auf die Festlegung der Rahmenbedingungen zu beschränken, um den Ländern den erwünschten Gestaltungsspielraum zu geben. Es ist bezeichnend, dass der neuen Regierungskoalition zur Verbesserung der Situation an den Hochschulen nichts besseres eingefallen ist als eine Ausweitung der bundesrechtlichen Vorschriften, unter denen dann auch solche erledigte Fälle wie die verfassten Studentenschaften fröhliche Urständ feiern.
Hierzu möchte ich noch einmal klarstellen: Wir wollen die verstärkte Mitwirkung der Studierenden, und wir haben - übrigens nach vielen Diskussionen mit Studentenvertretern - im Bayerischen Hochschulgesetz diesem Bereich eine wesentlich größere Bedeutung gegeben als bisher. Dennoch werden wir eine zwangsweise Wiedereinführung der verfassten Studentenschaft im Hochschulrahmengesetz nicht vollziehen. Dann hat die Bundesregierung die Möglich-
keit, uns zu verklagen, und die Karlsruher Richter können sich Gedanken über die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Bestimmung machen.
Zurück nach Bayern: Für das Wintersemester 1998/99 haben sich bis Ende Oktober bayernweit rund 230 400 Studenten eingeschrieben, das sind etwa 4 000 oder 2 % weniger als im Wintersemester 1997/98. Ursache für den Rückgang, der ausschließlich die Universitäten betrifft, ist die erfreuliche Zunahme der Hochschulabsolventen. Sie belegt, dass unsere Maßnahmen zur Studienzeitverkürzung gegriffen haben.
Konstant ist auch die Zahl der Studienanfänger. Ende Oktober meldeten die Hochschulen mit rund 35 800 Studienanfängern etwa die gleiche Zahl wie im Vorjahr. Die Zahl der Schulabsolventen mit Hochschulzugangsberechtigung war von 1984 (40 855) bis 1995 (34 257) demographisch bedingt rückläufig. Seitdem steigt sie wieder an. 1997 erwarben 35 626 Absolventen eine Hochschulzugangsberechtigung. Im Jahr 2010 werden es voraussichtlich rund 48 000 sein, 12 000 mehr (+ 35 %) als 1997. Nach 2010 wird die Zahl wieder sinken. Wenn sich die Zahl der Studienanfänger derzeit noch nicht analog dem Anstieg der Zugangsberechtigten entwickelt, so liegt dies daran, dass nur etwa 40 % eines Absolventenjahrgangs im Jahr des Erwerbs des Abiturs bzw. der Fachhochschulreife sofort ein Studium beginnen. 22 % tun dies ein Jahr später, 10 % zwei Jahre, 5 % drei Jahre und weitere 6 % vier oder mehr Jahre später.
Mit Interesse beobachten wir einen auffälligen Wandel bei der Studienwahl. Auch wenn die jetzt vorliegenden Zahlen noch mit Vorsicht zu genießen sind - die amtlichen Statistiken kommen erst im Januar -, können wir doch Trends erkennen. Zunächst erwarten wir heuer einen leichten Rückgang der Studienanfänger in den Sprach- und Kulturwissenschaften. Anders sieht die Entwicklung dagegen erfreulicherweise in der Fächergruppe Mathematik und Naturwissenschaften aus. Die Technische Universität München meldet hier beträchtliche Zuwächse von über 40 %, während an den übrigen bayerischen Universitäten praktisch kein Anstieg in diesen Fächern erwartet wird. Allerdings hatte die TU in den Vorjahren auch besonders starke Rückgänge zu verzeichnen. So liegt die Zahl der Studienanfänger an der TU im Fach Physik bei 40 % des Durchschnitts der Jahre 1985 bis 1990 und in der Chemie bei etwa 55 %. Insgesamt leichte Zuwächse werden in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften erwartet. Einen kräftigen Anstieg melden dagegen die Ingenieurwissenschaften. Noch vor Abschluss der Einschreibungen registrieren wir hier ein Plus von bayernweit 17 %. Bei den Studienanfängern in Ingenieurstudiengängen an den Fachhochschulen ist nach dem Rückgang in den letzten Jahren eine Trendwende festzustellen. So sind in dem Fachhochschulstudiengang Elektrotechnik gegenüber dem Vorjahr etwa 22 % mehr Studenten eingeschrieben (943); im Studiengang Maschinenbau sind es sogar 25 % mehr (829). Auch in dem Fachhochschulstudiengang Informatik hat die Zahl der Studienanfänger gegenüber dem Vorjahr zugenommen (17 %; 946), gegenüber dem Wintersemester 1996/97 um 35 %.
Auch im Fach Informatik scheint die Durststrecke der ersten Hälfte der 90er Jahre nunmehr überwunden. Hier hat sich die Zahl der Studienanfänger bayernweit von 781 im letzten Wintersemester auf 1 043, also um 262 erhöht (+ 33 %). Die Zahl der Studierenden in diesem Fach ist im gleichen Zeitraum von 3 209 auf 3 456, also um 8 % angewachsen. Seit dem Wintersemester 1995/96 haben wir in der Informatik nunmehr einen kontinuierlichen Anstieg von insgesamt 87 %. Damit kann auf dem Arbeitsmarkt in zwei bis drei Jahren mit einem steigenden Angebot an qualifizierten Absolventen gerechnet werden. Bis dahin allerdings bleibt eine beträchtliche Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Der Mangel rührt zum einen aus der stürmischen Entwicklung der Informationstechnologie in den letzten Jahren, die eine sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Informatikern zur Folge hatte. Verschärft wurde der Mangel durch einen starken Rückgang der Informatikstudenten ab 1989 auf Grund des damals sehr zurückhaltenden Einstellungsverhaltens der Wirtschaft, der bis heute zu rückläufigen Absolventenzahlen führt.
Die Reform unserer Hochschulen hat auch Auswirkungen auf den Haushalt. Bayern gibt 1998 7,5 % seines Staatshaushalts für die Hochschulen aus. Von diesen rund 4,6 Mrd DM entfallen über 2,95 Mrd DM auf die Universitäten, 1,08 Mrd DM auf die Universitätsklinika, über 520 Mio DM auf die Fachhochschulen und 81,9 Mio DM auf die Kunsthochschulen. Die nunmehr abgeschlossenen Gespräche zum Doppelhaushalt 1999/2000 ermöglichen sowohl bei der Sach- als auch bei der Personalausstattung die Weiterführung und den Ausbau von Forschungsschwerpunkten an den Universitäten, wie z.B. die Abrundung der Technischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg oder den Aufbau der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften an der Universität Bayreuth. Auch der Aufbau der neuen Fachhochschulen kann kontinuierlich weitergeführt werden. Dieses Ergebnis freut mich ganz besonders, weil es den Hochschul- und Wissenschaftsstandort Bayern weiter stärkt, während in anderen Ländern die Hochschulen massive Kürzungen hinnehmen müssen.
Die Hochschulen können von ihrer Finanzkraft her ohne weiteres mit Großunternehmen verglichen werden. Wie dort muss deshalb auch hier auf einen möglichst effizienten Einsatz der finanziellen Mittel geachtet werden. Eine Folge dieser Überlegung war die Flexibilisierung der Hochschulhaushalte, deren weiteren Ausbau ich mir wünsche. In einem weiteren Schritt werden jetzt an den Hochschulen Modelle einer Kosten-/Leistungsrechnung erprobt, die uns leistungsbezogene Kriterien für die Mittelverteilung liefern sollen. Auch damit wollen wir zu mehr Wettbewerb der Hochschulen untereinander und auch hochschulintern beitragen. Im Rahmen der Experimentierklausel wollen wir in diesem Zusammenhang auch neue Organisationsmodelle erproben, um die Effizienz der Verwaltungsabläufe zu verbessern.
Weiter verbessern wollen wir auch die Arbeitsbedingungen der Studierenden, wofür ich drei Beispiele nennen möchte: Das Bibliothekssonderprogramm, mit dem wir jährlich etwa 6 Mio DM zusätzlich für die Hochschulbibliotheken zur Verfügung stellen. Insgesamt haben wir bisher über 40 Mio DM über die regulären Bibliotheksmittel hinaus bereitgestellt. Im Bibliotheksbereich liegt das Hauptaugenmerk derzeit auf dem Ausbau der elektronischen Dienste wie der elektronischen Zeitschriftenbibliothek. Das zweite Beispiel ist die studentische Wohnraumversorgung. Die Zahl der Studentenwohnplätze in Bayern betrug im Frühjahr dieses Jahres 29 872, was einer Unterbringungsquote von 12,9 % entspricht. Im Vergleich dazu hatten wir 1989 23 414 Plätze (10,2 %). Innerhalb von neun Jahren haben wir in Bayern damit 6 450 Studentenwohnplätze neu geschaffen. Auch im Haushaltsjahr 1998 stehen im Haushalt mit einem Bewilligungsrahmen von 30 Mio DM erhebliche Mittel zur Verfügung. Das dritte Beispiel ist die BAföG-Reform: Bedauerlicherweise hat es der Bundesrat im Mai mit der Mehrheit der SPD-regierten Länder abgelehnt, das von uns als Kompromisslösung vorgeschlagene "Bayern-Modell" im Bundestag einzubringen. Da auch das von den Ländern erarbeitete Modell keine Chance auf Realisierung hatte, herrscht seitdem eine Patt-Situation, die dringend wieder in Bewegung gebracht werden müsste. Nun hat die neue Bonner Bildungsministerin, Frau Bulmahn, angekündigt, sie wolle umgehend neue Vorschläge erarbeiten. Es bleibt abzuwarten, wie diese Vorschläge aussehen und wie realistisch die Chancen auf ihre Verwirklichung sind. Wir werden jedenfalls weiterhin konstruktiv mitarbeiten, um hier endlich zu einer Lösung zu kommen.
Im Hochschulbau können wir den von 1997 (26. Rahmenplan) auf 1998 (27. Rahmenplan) um rund 110 Mio DM auf 580 Mio DM gesteigerten Anteil Bayerns an der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau auch im nächsten Jahr auf gleicher Höhe halten. Dabei haben wir einen besonderen Schwerpunkt darauf gelegt, den Finanzierungsrahmen für Großgeräte von gut 40 Mio DM im letzten Jahr auf etwa 80 Mio DM in diesem Jahr zu steigern.
Obwohl die finanziellen Rahmenbedingungen nicht günstig waren, ist es uns heuer im Zusammenwirken mit dem Finanzminister und der Staatsbauverwaltung gelungen, alle laufenden Vorhaben plangemäß fortzuführen. Um eine Vorstellung von der Größenordnung zu geben: Den für den Hochschulbau zuständigen Bauämtern wurden bis heute fast eine Milliarde Mark zugewiesen.
Der Hochschulbau wird bekanntlich aus zwei Finanzierungsquellen gespeist, der regulären Finanzierung aus dem Einzelplan 15 und der Sonderfinanzierung aus den Privatisierungserlösen. Aus dem zweiten "Topf" stehen uns insgesamt 1,99 Mrd DM zur Verfügung, von denen bis Ende dieses Jahres 1,71 Mrd DM bereitgestellt sind. Alle Baumaßnahmen der Offensive Zukunft Bayern I und II laufen. Viele der Maßnahmen, die wir ohne die Privatisierungserlöse nicht hätten durchführen können, sind bereits fertiggestellt oder stehen kurz vor der Vollendung, so zum Beispiel die Gebäude für die neuen Fachhochschulen in Amberg, Deggendorf, Ingolstadt und Weiden, oder die Fakultät für Maschinenwesen in Garching. Da aber diese Sondermittel ab 2000 nicht mehr zur Verfügung stehen, werden wir uns für die noch laufenden Maßnahmen um die Anschlussfinanzierung aus den regulären Haushaltsmitteln bemühen.
Neben der Umsetzung der Hochschulreform wird ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit in den kommenden Jahren der Forschung gelten. Die Aufwendungen des Freistaats Bayern für Forschung und Entwicklung allein im Geschäftsbereich des Wissenschaftsministers erreichen 1998 fast 2 Mrd DM. Dabei wird ein 40-prozentiger Anteil der Universitätsausgaben für Forschung und Entwicklung unterstellt. Wie wichtig die Anstrengungen in diesem Bereich sind, zeigt das Beispiel der Forschungsverbünde. 25 solcher Verbünde wurden in Bayern seit 1988 gegründet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Im Rahmen der Forschungsverbünde wurden bisher über 2 000 wissenschaftliche Arbeiten, darunter 27 Habilitationen, erstellt. 800 Projektpartner haben sich an den Arbeiten der Forschungsverbünde beteiligt. Die bislang durchgeführten Projekte hatten etwa 100 Patentanmeldungen zur Folge. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Projekte geht auch aus den bisher 50 High-Tech-Existenzgründungen von Projektmitarbeitern hervor, die zur Schaffung von 800 hoch qualifizierten Arbeitsplätzen geführt haben. Gerade die Arbeit der Forschungsverbünde ist ein herausragendes Fundament für die geplante "High-Tech-Offensive", die der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung angekündigt hat und für die die Staatsregierung bis zu 2 Mrd DM aus Privatisierungserlösen bereit stellen wird. Ziel dieser Offensive ist es, in Schlüsseltechnologien der Zukunft wie den Bio-Wissenschaften, der Informations- und Kommunikationstechnik, den Gebieten Neue Materialien und Umweltschutz so viele neue Unternehmen und Arbeitsplätze wie möglich nach Bayern zu holen. Im Rahmen dieser Offensive soll auch durch den Ausbau von Hochschuleinrichtungen ein strukturelles Umfeld geschaffen werden, das die Ansiedlung und Neugründung von Unternehmen begünstigt. Ich nenne hier drei Beispiele:
In München-Großhadern und Planegg-Martinsried soll ein in der europäischen Hochschullandschaft einmaliger biologisch-medizinischer Wissenschaftscampus entstehen. Neben den bereits im Bau befindlichen neuen Gebäuden der Fakultät für Chemie und Pharmazie soll ein Neubau für die Fakultät für Biologie der Universität München entstehen.
Der Hochschulstandort Freising-Weihenstephan soll zu einem Zentrum der "Grünen Biotechnologie" und der modernen Biowissenschaften ausgebaut werden. Hierfür sollen insbesondere die Lehrstühle für Biologie der Technischen Universität München in Weihenstephan zusammengeführt werden. Außerdem werden für den Hochschulstandort Freising-Weihenstephan derzeit Überlegungen angestellt, wie die zahlreichen, dort versammelten Hochschuleinrichtungen über Fakultäts- und Universitätsgrenzen hinweg zukunftsorientiert neu strukturiert werden können. Am Hochschulstandort Garching soll ein einmaliges naturwissenschaftlich-technisches Hochtechnologiezentrum mit Schlüsselkompetenzen insbesondere auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien entstehen. Zu diesem Zweck soll für die Fakultät für Mathematik und Informatik der Technischen Universität München ein Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Fakultäten für Physik, Chemie und Maschinenwesen entstehen.
Dass die Hochschul-Region München hier auf dem richtigen Weg ist, zeigt das Konzept "GründerRegioM", das die Technische Universität, die Ludwig-Maximilians-Universität und die Fachhochschule München im Rahmen eines Wettbewerbs um den besten Gründerstandort gemeinsam entworfen haben. Es wurde im Frühjahr dieses Jahres vom Bundesforschungsministerium prämiert. Der Zusammenschluss mit den Gründerinitiativen anderer Hochschulen und außeruniversitärer Einrichtungen zu einem "Gründernetzwerk Bayern" ist ebenfalls Gegenstand der "High-Tech-Offensive".
Die "High-Tech-Offensive" soll landesweit greifen und sich keineswegs nur auf den Ballungsraum München beschränken. Deshalb nenne ich als weitere Beispiele die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Informations- und Kommunikationstechnologie unter Beteiligung der Universitäten Passau und Würzburg, die Schaffung eines Verbundes für die Technologie neuer Werkstoffe unter Beteiligung der Universitäten Bayreuth, Erlangen und Würzburg, den Schwerpunkt Medizintechnik in Erlangen und den Ausbau des Raumes Augsburg und Schwaben als Zentrum für Umwelttechnologie unter Einbeziehung der Universität und der Fachhochschule Augsburg.
Eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten ist die Ausstattung mit schnellen Rechnern und Netzen. Sie wurde im letzten Jahr weiter verbessert. Bei der Beschaffung von Computern für Studierende und Wissenschaftler nimmt Bayern seit langem eine führende Stellung unter den Ländern ein. Ein aktuelles Beispiel: Im August dieses Jahres wurde zwischen den Universitätsrechenzentren in München und Erlangen - Berlin wird später noch hinzukommen - ein Gigabit-Testnetz in Betrieb genommen. Mit Unterstützung des "Vereins zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes e.V." (DFN-Verein) werden dabei neue optische Übertragungsverfahren erprobt, die den Datendurchsatz auf das 50-fache des bisher Erreichbaren steigern und einen
Meilenstein in der Entwicklung der Netztechnik darstellen. Der Wissenschaft eröffnet dies neue Wege zur Koppelung von Rechnersystemen und für Multimedia-Netzanwendungen in Echtzeit ("Tele-Präsenz" bzw. "Tele-Aktion" bei Lehrveranstaltungen, in der Medizin oder bei wissenschaftlichen Experimenten).
Besondere Aufmerksamkeit werden wir auch dem Bereich der Pa- tentanmeldungen schenken. Zwar liegt Bayern hier zusammen mit Baden-Württemberg klar an der Spitze, über 47 % aller Anmeldungen kommen aus diesen beiden Ländern, wobei die Region München mit 6,8 % die Region mit der zweitstärksten Innovationskraft in ganz Deutschland darstellt. Auffällig ist aber, dass drei von vier Patentanmeldungen aus der Wirtschaft kommen und die Wissenschaft noch immer nur eine untergeordnete Rolle spielt. Das heißt: Von den Hochschulen werden noch immer zu wenig Patente angemeldet, obwohl gerade darin ein großes wirtschaftliches Potential liegt. Um dies zu ändern, werden wir in Kürze eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg bringen mit dem Ziel, Aufklärung und Motivation auf diesem Gebiet zu verbessern.