15. Mai 1998
Zur dpa-Meldung lby 009 ("Bildungsarmut in Bayern") sowie zur spk Nr. 16 ("Bildungsarmut bekämpfen...") stellt Kultusminister Zehetmair klar:
"Die SPD macht aus der Tugend eine Not!"
Mit teilweise grotesken Argumenten versuchen SPD und Grüne, eine "Bildungsarmut" in Bayern herbeizureden. Dazu gehört etwa der Hinweis darauf, dass Bayern den höchsten Anteil von Hauptschulabsolventen und einen eher niedrigen Abiturientenanteil hat. Hier wird ganz offensichtlich versucht, aus der Tugend eine Not zu machen! Eine Drittelung der Schülerschaft eines Jahrgangs in Hauptschule, Realschule und Gymnasium war in den Siebzigerjahren das Ziel aller Bildungsreformer in Deutschland - in Bayern wurde dieses Ziel erreicht. Während in den meisten anderen Ländern die Hauptschule so lange verschludert wurde, bis sie völlig aufgegeben werden musste, erfreut sich diese Schulart mit einem guten Drittel aller jungen Menschen eines Jahrgangs in Bayern bester Gesundheit. Mittlerweile kann sich die Hauptschule in Bayern auch als weiterführende Schule zunehmend profilieren: Rund 12 000 ehemalige Hauptschüler erreichen einen Mittleren Schulabschluss. Der Logik der SPD zufolge wäre das Schulsystem am besten, das die meisten Abiturienten "produziert". Die Auswirkungen dieser Erkenntnis sind in Hessen und in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen zu besichtigen. Das Gymnasium und die dort erworbene Hochschulreife sind keineswegs der Königsweg für die Zukunfts-chancen der jungen Menschen. Das zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass Bayern die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland hat.
Qualifikationsbedarfsprognosen sagen voraus, dass auch künftig der Akademikerbedarf in Deutschland 20 Prozent nicht übersteigen wird. Dagegen werden rund 70 Prozent eines Jahrgangs eine praxisnahe, in beruflicher Erstausbildung und beruflicher Weiterbildung erworbene Qualifikation benötigen. Das Landesarbeitsamt Bayern wies schon 1996 darauf hin, dass akademische Qualifikationen heute nicht mehr automatisch mit einer anspruchsvollen Tätigkeit korrespondieren und auch Akademiker zunehmend mit Arbeitslosigkeit und Entlassung konfrontiert sind. Von Beginn der 80er Jahre bis 1996 hat sich die Arbeitslosenquote der Akademiker mehr als verdoppelt. Bereits jetzt ist rund ein Viertel der erwerbstätigen Hochschulabsolventen unterhalb der Ebene einer Meisterqualifikation beschäftigt und bezahlt. Das sozialdemokratische Bildungsideal ist offenbar der Taxifahrer mit abgeschlossener Promotion.
Wenn nun kritisiert wird, dass in Bayern acht Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlassen, so trifft dieser Vorwurf nicht die Schule, sondern das gesellschaftliche Umfeld, das sich natürlich auf die Schulen auswirkt. Die SPD prügelt aus wahltaktischen Gründen auf die Symptome ein, statt sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen. Es ist zum Beispiel leider eine Tatsache, dass gerade viele ausländischen Jugendlichen kein Interesse daran haben, einen schulischen Abschluss zu machen - sie werden in dieser Hinsicht oft auch von ihren Elternhäusern nicht unterstützt. Einstellungen und Haltungen zur Schule können von dieser selbst jedoch kaum gesteuert werden. Vor diesem Hintergrund ist es ein enormer Erfolg der bayerischen Bildungspolitik, dass sich die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss in den letzten Jahren trotz wesentlich schwieriger gewordener Rahmenbedingungen nicht erhöht hat.
Im übrigen kann das von den Autoren des Sozialberichts gewählte Erhebungsverfahren der Querschnittuntersuchung die Zahl der tatsächlich erworbenen Schulabschlüsse gar nicht vollständig erfassen, da sie keinen Aufschluss über den weiteren Werdegang der Schulabgänger gibt und später erworbene Qualifikationen nicht berücksichtigt. Insofern sind die apodiktischen Aussagen der Studie in der Tat wenig aussagekräftig.
Was schließlich die relativ hohe Quote abgebrochener Ausbildungsverhältnisse angeht, so fällt dieses Problem der bayerischen SPD sehr spät auf - wohl weil sie sich vor allem mit den Abiturienten beschäftigt. Der bayerische Kultusminister fordert seit mehreren Jahren einen "kleinen Gesellenbrief", der jenen Jugendlichen, die bisher die Lehre ohne Abschluss abbrechen, immerhin die Chance gibt, sich zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuqualifizieren. Diese Forderung hat sich mittlerweile auch Bundesminister Rüttgers zu Eigen gemacht, so dass hier in absehbarer Zeit ein Fortschritt möglich erscheint.
Fazit: Sofern sich der Begriff ABildungsarmut auf Kenntnisstand und Kompetenz der SPD in Bildungsfragen bezieht, ist er möglicherweise korrekt. Die Standorte wirklicher Bildungsarmut ergeben sich aus der offiziellen Statistik der Kultusministerkonferenz. Danach verzeichnet Hessen 9 Prozent Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss, Niedersachsen 10 Prozent, Hamburg 11 Prozent und das Saarland ebenfalls 11 Prozent. Bayern hat also nicht nur die niedrigste Quote bei der Jugendarbeitslosigkeit, sondern auch bei den Jugendlichen ohne Schulabschluss!