Pressemitteilung

Nr. 7 / 14. Januar 2000

 

Kultusministerin Monika Hohlmeier und die bayerische Behindertenbeauftragte Ina Stein: Integration und Kooperation von behinderten und nicht behinderten Schülern wird konsequent fortgeführt

Der gemeinsame Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern nach integrativen und kooperativen Konzepten soll weiterentwickelt werden. In einem Gedankenaustausch mit der Behindertenbeauftragten der bayerischen Staatsregierung Ina Stein am Freitag bekräftigte Kultusministerin Monika Hohlmeier, dass der Integrationsgedanke im bayerischen Schulwesen konsequent weiter verfolgt werde. Seit einigen Jahren vollziehe sich unter dem Stichwort "Paradigmenwechsel in der Sonderpädagogik" ein deutlicher Wandel. Statt behinderte Kinder pauschal einer Sondereinrichtung zuzuweisen, stehe nun die individuelle Prüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs und die individuelle Festlegung des geeigneten Förderortes für jedes einzelne Kind im Mittelpunkt. Bei diesen Einzelfallentscheidungen werde die ganze Vielfalt der Förderorte und -möglichkeiten ausgeschöpft. "Nicht die Behinderung an sich bestimmt den Förderort, sondern der individuelle Förderbedarf", erklärte die Ministerin. Auf diese Weise werden in Bayern inzwischen nahezu 10 000 behinderte Kinder mit Unterstützung durch Mobile Sonderpädagogische Dienste an Regelschulen unterrichtet. Sowohl die Zahl der so geförderten Kinder als auch die Zahl der hierfür zur Verfügung stehenden Lehrerstunden sind in den vergangenen Jahren deutlich angewachsen. Allein zu Beginn des laufenden Schuljahrs 1999/2000 wurden die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste um 12 % auf nahezu 300 Vollzeitstellen aufgestockt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche kooperative Maßnahmen, in denen Förderschulen und Regelschulen zusammenarbeiten. Rund 300 Förderschulklassen sind als Außenklassen in Regelschulen untergebracht, in einigen Fällen wurden umgekehrt Klassen für Blinde und Hörgeschädigte sowie für Körperbehinderte für nicht behinderte Schüler geöffnet. Bei der Arbeit mit geistig Behinderten wird vor allem das Konzept der Integration durch Kooperation erfolgreich umgesetzt. Mittlerweile kooperieren alle Schulen zur individuellen Lebensbewältigung im schulischen Leben und teilweise auch im Unterricht mit Regelschulen.

Frau Stein wertete das Konzept der Mobilen Dienste und die kooperativen Maßnahmen als positive Entwicklungen. Um behinderte und nicht behinderte Kinder zueinander zu führen, müssten solche Ansätze ausgebaut und weiterentwickelt werden. Sie hob hervor, dass zu den wesentlichen Bedingungen für erfolgreiche integrative und kooperative Arbeit neben den geeigneten Rahmenbedingungen auch die Aufgeschlossenheit der beteiligten Lehrkräfte und Eltern gehöre.

Die Behindertenbeauftragte begrüßte die neuen Richtlinien zur Förderung von Schülern mit Legasthenie und Lese- und Rechtschreibschwäche, die das Kultusministerium vor kurzem herausgegeben hat. Nach den neuen Richtlinien sind für die Kinder, die auf Grund einer Störung des zentralen Nervensystems an einer Lese- und Rechtschreibstörung leiden, eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung wie zum Nachteilsausgleich verbindlich vorgeschrieben. Dazu gehören die besondere Gewichtung des Mündlichen, der Einsatz technischer Hilfsmittel oder die Befreiung dieser Kinder von Diktaten. Schülerinnen und Schülern mit einer vorübergehenden, therapierbaren Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS) können ähnliche Erleichterungen zugestanden werden wie den Kindern mit gutachterlich bestätigter Legasthenie. "Die schulischen Probleme dieser Kinder sind nun als Teilleistungsstörungen anerkannt und können daher nicht mehr als Folge mangelnden Fleißes oder geringer Begabung missverstanden werden. Damit werden wir Schülerinnen und Schüler nicht nur in ihrem schulischen Vorankommen besser fördern, sondern ihnen auch deprimierende Frustrationserlebnisse ersparen", betonte Ministerin Hohlmeier.

 

Schulversuch zur konduktiven Förderung körperbehinderter Kinder erfolgreich abgeschlossen

Neue Impulse für die Arbeit mit körperbehinderten Kindern gehen von einem soeben abgeschlossenen Schulversuch zur konduktiven Förderung aus. Die konduktive Förderung verknüpft pädagogische, psychologische und medizinische Therapien mit dem Ziel, zerebral-bewegungsgestörte Kinder bestmöglich zu fördern und ihre Persönlichkeit zu festigen. In der schulischen Praxis bedeutet dies, dass Sonderschullehrer, Erzieher, Psychologen, Krankengymnasten, Logopäden und Beschäftigungstherapeuten mit ihren unterschiedlichen Kenntnissen und Befähigungen zusammengeführt werden. Diese Integration von Pädagogik und Therapie erfolgt vor allem im Rahmen von Bewegungsprogrammen, die in pädagogische Zielsetzungen eingebettet sind.

Der Schulversuch "Konduktive Erziehung und Förderung von Kindern in der Schulvorbereitenden Einrichtung und in der Grundschulstufe der Schule für Körperbehinderte" wurde ab dem Schuljahr 1995/96 an fünf Schulen in München, Nürnberg und Würzburg vier Jahre lang durchgeführt. Sowohl im Bereich der motorischen Entwicklung als auch der Lernentwicklung konnten mit diesem Modell äußerst positive Ergebnisse erzielt werden, die auf einer Abschlusstagung im Dezember 1999 vor Fachleuten aus der ganzen Bundesrepublik dargestellt wurden. Wie Kultusstaatssekretär Karl Freller dort ankündigte, soll die konduktive Förderung auf der Basis der erfolgreichen Arbeit an den Versuchsschulen ausgeweitet und auf bis zu 30 weitere Schulen, die zerebral-bewegungsgestörte Kinder betreuen, übertragen werden.

 

Dorothee Erpenstein
Pressesprecherin im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus