12. Dezember 1996

Kultusminister Zehetmair kündigt an: "Freiwillige Zehnte Klasse" soll regulärer Bestandteil der Hauptschule werden - Schüler im Schulversuch "Sechsstufige Realschule" mit besseren Leistungen

Der Schulversuch "Freiwillige Zehnte Hauptschulklasse", der mit dem nächsten Schuljahr ausläuft, soll fester Bestandteil der Hauptschule werden. Wie Kultusminister Hans Zehetmair im Ausschuß für Bildung, Jugend und Sport des Bayerischen Landtags am Donnerstag in München erklärte, plane die Staatsregierung eine Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes, um den Schulversuch formal zu beenden und die Bildungseinrichtung ins Regelschulsystem zu überführen. Der Minister betonte, daß der Schulversuch bereits nach zwei Jahren "ein voller Erfolg" sei. Im Schuljahr 95/96 hätten 1233 Schüler an 48 Schulen in Bayern mit der Freiwilligen Zehnten Klasse begonnen, 1217 seien zur Abschlußprüfung angetreten und 1208 von ihnen hätten sie bestanden. Die Mißerfolgsquote sei mit 0,7% der Prüfungsteilnehmer also sehr niedrig. In diesem Schuljahr gebe es 102 Klassen an 88 Schulen. Praktisch jeder interessierte Bewerber könne mittlerweile in zumutbarer Entfernung eine 10. Hauptschulklasse besuchen, so daß eine nochmalige Erweiterung im Schuljahr 97/98 nicht geboten sei.

Zur Frage der Zulassung zur Freiwilligen 10. Klasse erklärte Zehetmair, er könne sich vorstellen, daß statt der bisher notwendigen Einzelnoten 2 in Deutsch, Mathematik und Englisch im qualifizierenden Hauptschulabschluß der neunten Klasse künftig die Durchschnittsnote 2,0 gefordert werde. Damit könne beispielsweise eine Note 3 in Englisch durch die Note 1 in Mathematik ausgeglichen werden. Allerdings müsse es bei der anderen Zulassungsbedingung, der Gesamtbewertung 2,0 im Quali-Zeugnis, bleiben. Zehetmair: "Die hohen Anforderungen in der 10. Klasse stellen sicher, daß der Abschluß in seiner Wertigkeit tatsächlich und nicht nur formal ein echter mittlerer Schulabschluß ist." Das bisherige Verfahren, die Entscheidung über den Zugang erst mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluß und nicht etwa schon mit dem Zwischenzeugnis der neunten Klasse zu treffen, habe sich sowohl pädagogisch als auch organisatorisch bewährt.

In einem weiteren Bericht zum Schulversuch "Sechsstufige Realschule" erklärte Zehetmair, daß sich nach vier Versuchsjahren aufgrund der Notenanalyse gezeigt habe, daß die Schüler der sechsstufigen Realschule zum selben Zeitpunkt über deutlich bessere Kenntnisse und Fertigkeiten in den überprüften Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik verfügten als die Schüler der vierstufigen Realschule. Dies habe sich auch positiv auf das Erreichen des Klassenziels ausgewirkt. Zehetmair: "Ich rechne damit, daß sich künftig die Zahl der Wiederholer bis um die Hälfte reduziert - ein nicht zu unterschätzender pädagogischer und finanzieller Faktor." Es habe sich auch die Erwartung bestätigt, daß die richtigen Schüler in die sechsstufige Realschule eintreten. Eine Untersuchung der Übertrittszahlen in Jahrgangsstufe 5 an den im Einzugsbereich der Versuchsschulen liegenden Gymnasien zwischen 1991 und 1995 komme zu dem Ergebnis, daß es einen deutlichen Rückgang der Übertrittszahlen um 8,15% gegenüber den anderen Gymnasien mit lediglich 1,48% gebe. Damit werde das Gymnasium deutlich entlastet, da sich eine auch nach Meinung der befragten Eltern attraktive Alternative biete, die unter Umständen einen schulischen Umweg erspare.

Weiter erklärte der Minister, er beabsichtige bei einer Einführung der sechsstufigen Realschule, nichts an der Grundanforderung für den Übertritt zu ändern. Es würde bei einem erforderlichen Notenschnitt von 2,33 in Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachkunde sowohl für Gymnasium als auch für Realschule bleiben. Eine Eignung für das Gymnasium solle aber nur bei mindestens Note 2 in Deutsch und Mathematik ausgesprochen werden. Für die Realschuleignung wäre in beiden Fächern mindestens Note 3 erforderlich. Was die Auswirkungen auf die Hauptschule angehe, so gebe es keine Hauptschule, die bislang im Rahmen des Modellversuchs eindeutig wegen der sechsstufigen Realschule im Fortbestand der Jahrgangsstufe 5 gefährdet war. Die bisherigen Erfahrungen schlössen allerdings nicht aus, daß Klassen der Jahrgangsstufen 5 und 6 vor allem in Teilhauptschulen I gefährdet seien, wenn sie an eine lediglich einzügig oder schwach zweizügig geführte Grundschule angeschlossen seien. Der Schulversuch war 1992 an neun privaten Realschulen mit 357 Schülern begonnen worden. Derzeit nehmen 6122 Schüler in 37 Schulen daran teil.

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Toni Schmid, Pressereferent