29. April 1998

Kultusminister Zehetmair bei der Eröffnung des Bildungskongresses: Standortbestimmung und Weichenstellung für das bayerische Schulwesen

Erweiterung des Unterrichtskonzepts, vielfältigere Unterrichtsmethoden, besser ausgebildete und motivierte Lehrkräfte, mehr Freiräume für die Schulen - das sind einige der Themen, die beim zweitägigen Bildungskongress des bayerischen Kultusministeriums von etwa 700 Wissenschaftlern, Lehrern, Elternvertretern, Schülern, Vertretern der Verbände, der Politik, der Wirtschaft und der Medien diskutiert werden. Dabei, so Kultusminister Hans Zehetmair bei der Eröffnung des Kongresses am Mittwoch in der Münchner Universität, werde es keineswegs zu einem Bruch mit den prägenden Merkmalen bayerischer Bildungspolitik kommen. Begabungsgerechte Gliederung des Schulwesens, Leistungsorientierung, breite Allgemeinbildung und wertorientierte Erziehung, die auch durch die erziehungswissenschaftliche Forschung bestätigt wurden, sollen unangetastet bleiben. Dennoch sei eine teilweise Neugestaltung der Schulen als Antwort auf den Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeitswelt notwendig geworden.

Internationale Leistungsvergleiche wie die TIMS-Studie hätten gezeigt: "Wir sind nicht so gut, wie wir geglaubt haben." Auch wenn die bayerischen Schüler im nationalen Vergleich deutlich besser abschnitten als die Schüler in anderen deutschen Ländern, seien daraus Konsequenzen zu ziehen. Eine mögliche Erklärung für das vergleichsweise schwächere Abschneiden deutscher Schüler sei auch das gesellschaftliche Umfeld: "In anderen Ländern haben Schule und Lehrer ein hohes Ansehen, ihre aktive Unterstützung durch die Eltern und die Anstrengungsbereitschaft der Schüler sind selbstverständliche Voraussetzungen für den Schulerfolg." In Deutschland dagegen, so zeige die Studie, gebe es zwischen den an die Schule gerichteten Erwartungen und der Bereitschaft, die Schule konkret zu unterstützen, ein immer stärkeres Missverhältnis. Für den Erfolg der jetzt geplanten Reformen brauche man die Bereitschaft aller Beteiligten, für die Zukunft der Bildung Verantwortung zu übernehmen. "Die Bildungsoffensive Bayern kann nur in gemeinsamer Anstrengung gelingen", sagte Zehetmair.

Mit dem Titel "Wissen und Werte für die Welt von morgen" sei auch das Arbeitsprogramm des Kongresses umrissen: Welche Qualifikation und welche ethische Orientierung muss die Schule den jungen Menschen mitgeben und welche Bildung brauchen wir am Ende dieses Jahrhunderts? Der Wandel in Wirtschaft und Arbeitswelt bedinge neue und höhere Anforderungen an Kenntnisse und Fähigkeiten der Menschen sowie veränderte Einstellungen und Haltungen. Als Eckpunkte der daraus resultierenden Überlegungen nannte Zehetmair begabungsgerechte Differenzierung, die Festigung und Erweiterung des inhaltlichen und methodischen Unterrichtskonzepts, die Stärkung der Erziehungsleistung der Schule, die Verbesserung von Motivation und Kompetenz der Lehrkräfte in der Aus- und Weiterbildung und die Förderung von Schulentwicklung und Qualitätssicherung.

Arbeitsformen, die selbstgesteuertes, interdisziplinäres und kommunikatives Lernen ermöglichen, müssen durch einen pädagogischen Gestaltungsraum, "der größer ist als bisher", Eingang in den Schulalltag finden. "Wir brauchen an unseren Schulen in verstärktem Maße auch den Projektunterricht, das Arbeiten in Gruppen, die Handlungsorientierung." Diese Lernformen könnten allerdings das fachliche Lernen nicht ersetzen, betonte Zehetmair. Wichtigster Partner der Schule bei der Erziehung sei das Elternhaus. Diese Partnerschaft müsse aktiviert werden, indem die Eltern mehr als bisher in die Erziehungsarbeit einbezogen werden. Angesichts zunehmend schwieriger Erziehungsprobleme sei daneben der Kontakt mit den Institutionen der Jugendhilfe und den freien Trägern der Jugendarbeit zu intensivieren.

Zur Steigerung der Motivation der Lehrer werde angestrebt, besonderen Einsatz und besondere Leistungen durch Zulagen und Prämien zu honorieren, kündigte Zehetmair an. Darüber hinaus werde auch ein System immaterieller Anerkennungen zu schaffen sein. Bei der Lehrerausbildung werde künftig die Praxisnähe eine größere Rolle spielen. So sollte ein Praktikum bereits zu Beginn des Studiums so beschaffen sein, dass der Student selbst erkennen kann, ob er für den Lehrerberuf geeignet ist. Insgesamt werde die Lehrerfortbildung auch in der Schule selbst eine größere Rolle spielen als bisher, sagte der Minister.

Ein Schwerpunkt der Reformen gelte der Schulentwicklung. Hier müssten nach Auffassung Zehetmairs mehr Freiräume geschaffen werden. Geprüft würden in diesem Zusammenhang Möglichkeiten der Flexibilisierung der Stundentafeln im Zusammenhang mit einer Erhöhung des pädagogischen Freiraums, frei verfügbare zusätzliche Stundenkontingente für besondere pädagogische Herausforderungen und eine Flexibilisierung von Stundendeputaten, die den Bedarf der einzelnen Schulen zum Beispiel in Form von Arbeitszeitkonten berücksichtigten. Schließlich müssten zur Qualitätssicherung Kriterien und Verfahren zur Evaluation von Zielen und Ergebnissen des Unterrichts entwickelt werden.

 

Bayerisches Staatsministerium
für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst
Toni Schmid, Pressereferent