Aviso 04/20
42 Aviso Einkehr Unauffällig ist das Hinweisschild, das von der Ammergauer Straße in Saulgrub im oberbayerischen Landkreis Garmisch- Partenkirchen den Weg zum Wirtshaus Acheleschwaig weist. Der schmale Weg ist Teil des Ziels, da sich schon bald Aussich- ten auf grüne Hügel eröffnen, die von Mutterkühen mit ihren Kälbern beweidet werden und Anmutungen einer Pastorale aufkommen lassen. DerWegmündet in einGehöft, das als Schwaige seit 1480 als größter landwirtschaftlicher Klosterbetrieb des mächtigen Klosters Ettal ausgewiesen ist. Von der Renovierung 1659 zeugt auch heute noch die Jahreszahl an der Fassade über der Ein- gangstür des zweigeschossigen Flachsatteldachbaus. Bis zu vierzig Tagelöhner wurden im Raum der heutigen Gast- wirtschaft verköstigt. Nach denWirren der Säkularisation 1803 nutzte das Königreich Bayern das komplette Anwesen als Mi- litärpferdezucht, später als Nebenbetrieb des heutigen Haupt- und Landgestütes Schwaiganger. Die derzeitigen Gasträume erlebten in dieser Zeit eine wechselvolle Geschichte, dienten als Kantine, Gastwirtschaft und zuletzt als Abstellraum. Bevor die Landwirtschaftsfamilie Tassilo Fischer das denkmalgeschützte Gebäude 2006 erwarb, war das Anwesen mehr als zwanzig Jahre dem Verfall preisgegeben. Mit Passion und Durchhaltevermögen wurde der Gebäudekomplex denk- malschutzkonform renoviert, so dass Tassilo Fischer heute re- sümiert: »des war scho a bisserl a Aufwand«. 2007 wurde das Wirtshaus eröffnet und durch Familie Fischer selbst bewirtschaftet. Parallel dazu bauten sie den Land- wirtschaftsbetrieb »Gut Acheleschwaig« auf, wo demTierwohl beispielsweise durchMutterkuhhaltung großerWert beigemes- sen wird. Ende 2016 übergab Familie Fischer den Betrieb des Wirtshauses an das einheimische Gastronomen-Ehepaar Gru- ber als Pächter. Hubert Gruber entstammt einer Wirtsfamilie, führt den Titel »Küchenmeister« und hat sein Handwerk auf vielen Stationen, u. a. in der Schweiz, stetig verfeinert. Im Wirtshaus Acheleschwaig stehen die Grubers für saisonale, handwerklich gefertigte regional verwurzelte Am- mertalküche. Das ist ambitioniert, denn im Klartext heißt das »selbstgemacht«, und das beginnt beimFleisch: Bevorzugt wer- den die eigenen Erzeugnisse des Hofguts Acheleschwaig wie Rindfleisch, Lammfleisch und Eier verarbeitet. Hubert Gruber ist außerdempassionierter Jäger, so dass auch regelmäßig selbst erlegte Wildspezialitäten wie Gams, Reh und Rotwild aus den umliegenden Wäldern des Staatsforsts Oberammergau auf der Speisekarte stehen. Selbstgemacht werden selbstverständlich auch Semmelknödel und Spätzle und der nachmittägliche Ku- chen in Konditorqualität. Spezialitäten wie Gamskraftbrühemit Streifen von Kräu- terpfannkuchen oder Gamspfeffer (eine Art Gulasch) lassen Gourmetherzen höher schlagen und die historischen Räum- lichkeiten verströmen authentische Heimeligkeit: Bis zu acht- zig Zentimeter tief sind die gemauerten Fensterbänke, viele Türstöcke mit Türen sind original erhalten und so niedrig, dass man den Kopf einziehen muss. Die Gaststube schmückt ein Aviso Einkehr –– Wirtshaus Acheleschwaig Text: Sabine Mey-Gordeyns Fotos: Rebecca Schwarzmeier Aviso Einkehr Die schönsten denkmal- geschützten Gasthöfe in Bayern sind noch nicht so bekannt wie viele unserer Schlösser, Burgen und Kirchen. Das muss sich ändern! In Aviso Einkehr stellen wir Ihnen deshalb die schönsten kulina- rischen Musentempel vor. Gamspfeffer an der Ammerschlucht: Ammertalküche für Genießer
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